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Interviews
28.06.2021

Interview des Monats mit Peter Liese Stärkere Ausrichtung auf wirkliche Innovationen

Im „Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung“ geht es nicht nur um Prävention, sondern auch um Forschung und Entwicklung von Medikamenten. Ein Ziel dabei: Die Flut von Onkologika, deren Nutzen fragwürdig und deren Preise hoch seien, einzudämmen. Die Rahmenbedingungen für die wirklichen Innovationen zu verbessern, ist ein wichtiges Ziel, unterstreicht Peter Liese im „Interview des Monats“. Er ist Mitglied des Sonderausschusses des EU-Parlaments, der die Umsetzung des Plans begleitet.

Wo sieht der Ausschuss den dringlichsten Handlungsbedarf?
Der dringendste Handlungsbedarf besteht bei der Bekämpfung von seltenen Krebsarten, insbesondere bei Krebs von Kindern. Durch die geringen Fallzahlen ist es nicht möglich, diese Krebsarten rein national zu erforschen, aber für die Patienten ist es notwendig, Lösungen zu finden. Insbesondere, wenn ein Kind an Krebs erkrankt ist, ist das für die Familie besonders dramatisch. Daher brauchen wir hier europäische Zusammenarbeit in der Forschung und der Behandlung.

Gesundheit gehört zum Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten. Inwiefern hat die EU hier überhaupt Möglichkeiten, ein einheitliches Vorgehen bei der Krebsbekämpfung anzustoßen
Auch wenn es oft wiederholt wird, so ist es trotzdem nicht richtig: Die EU hat Kompetenzen im Gesundheitsbereich. Diese sind zwar eingeschränkt, aber wir können sehr viel mehr machen. Angefangen von der grenzübergreifenden Forschungsförderung über die Beseitigung von Hindernissen für die Forscher z.B. durch unterschiedliche Anwendung von Datenschutzvorschriften, bis hin zu Stärkung der Patientenrechte für den Fall, dass sie sich im Ausland behandeln lassen wollen. Durch angemessene Kennzeichnungsregeln und bessere Aufklärung können wir auch in der Prävention sehr viel erreichen. Darüber hinaus können gemeinsame Beschaffung von Medikamenten und Instrumenten zur Früherkennung viele Menschenleben retten.

Ein Schwerpunkt des Krebsplans ist auch die Forschung und Entwicklung. An der Zulassung neuer Krebsmedikamente mangelt es ja gerade nicht. Welche Anreize will man hier noch setzen? 
Ich halte es für sehr wichtig, dass die Forschungsförderung sowohl durch direkte Zuschüsse als auch durch den Rahmen bei der Arzneimittelgesetzgebung gezielter auf wirkliche Innovationen ausgerichtet wird. Es gibt zu viele Scheininnovationen und zu viele Medikamente, die aber keinen wirklichen Durchbruch bringen. Daher müssen wir die Rahmenbedingungen für die wirklichen Innovationen verbessern und die Anstrengungen darauf konzentrieren. Ein erster wichtiger Schritt in dieser Hinsicht ist der Beschluss der EU-Institutionen zur gemeinsamen Nutzenbewertung von Arzneimitteln. Hier ist auch eine engere Abstimmung der Europäischen Arzneimittelagentur mit den für die Nutzenbewertung zuständigen Instruktionen wie das IPIK vorgesehen. Dadurch können Arzneimittelhersteller zu einem früheren Zeitpunkt das Signal bekommen, ob ihre Produkte erstattet werden und ich rechne damit, dass dies gemeinsam mit anderen Maßnahmen eine stärkere Ausrichtung auf wirkliche Innovationen bringt.