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Interviews
18.12.2014

Interview des Monats mit Prof. Hans Lilie

„Das System transparent und täuschungssicher machen“

Berlin – Einen medizinischen Kriterienkatalog für die Herzallokation erarbeitet momentan die Ständige Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer (BÄK). Im „Interview des Monats“ erklärt der Vorsitzende des Gremiums, Prof. Hans Lilie, wie der Score funktionieren soll, welche Kriterien berücksichtigt werden und wann das Modell voraussichtlich in den Kliniken eingesetzt werden kann.

Dem Juristen zufolge ist es entscheidend, die gesetzlich vorgegebenen Verteilungskriterien Erfolgsaussicht und Dringlichkeit angemessen abzuwägen. Als Anhaltspunkt für den neuen Kriterienkatalog nennt er die Scores, die es für die Leber- oder die Lungentransplantation bereits gibt. Dies entspreche dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft. „Da sich aber im Bereich der Score-basierten Herzallokation international noch kein Modell etabliert hat, betritt die Ständige Kommission Organtransplantation hier Neuland“, sagt Lilie, der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lehrt. 

Warum wird jetzt ein Score für die Verteilung von Spenderherzen entwickelt?

Prof. Lilie: Aufgrund der Manipulationsversuche stehen wir hierzulande unter Druck. Es geht darum, das System transparent und täuschungssicher zu machen. Ein weiteres Problem ist, dass wir in unserem Transplantationssystem sehr wenig über die Erfolgsaussichten der Patienten nach dem Eingriff wissen. Die transplantierten Patienten verlassen die Zentren, weil sie nach der Operation zur Behandlung in den ambulanten Sektor, zu einem niedergelassenen Kardiologen, wechseln. Deshalb ist es ein Anliegen der Transplantationsmediziner, die Erfolgsaussichten durch ein lernendes System besser dazustellen.  

Wie soll das konkret funktionieren?

Prof. Lilie: Es geht darum, verschiedene objektive Kriterien der Patienten, die auf ein Spenderherz warten, zu erheben. Das sind beispielsweise: bisheriger Gesundheitszustand, Begleiterkrankungen, Infektionen, Kunstherz, etc. Diese Merkmale fließen in den Score Erfolgsaussicht ein. Das andere Verteilungskriterium ist die Dringlichkeit. Dabei geht es um eine aktuelle Analyse des Gesundheitszustandes der Patienten auf der Warteliste.

Dringlichkeit und Erfolgsaussicht miteinander in Einklang zu bringen ist doch eigentlich unmöglich...

Prof. Lilie: In der Tat handelt es sich dabei um zwei gegenläufige Prinzipien, die bei den Scores zur Verteilung von Spenderorganen durch eine komplexe mathematische Berechnung allerdings ausgeglichen werden.

Wann wird der Kriterienkatalog voraussichtlich fertig? Und wie lange dauert es, bis er in den Kliniken konkret zum Einsatz kommt?

Prof. Lilie: Das ist schwer vorauszusagen. Die Arbeitsgruppe Herz arbeitet momentan unter Hochdruck. Ich hoffe, dass wir dem Bundesministerium für Gesundheit im Sommer einen Richtlinienentwurf vorlegen können. Die Genehmigung vorausgesetzt ist dann noch mindestens ein halbes Jahr einzukalkulieren, weil Eurotransplant für den Score ein neues Computerprogramm entwickeln muss. Ein Jahr wird es also mindestens noch dauern. Es ist ein langer Weg und auch die erforderliche Transparenz kostet Zeit.