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Interviews
25.11.2015

Interview des Monats mit Dr. Peter Langkafel „Datenschutz und Datenschatz gehören zusammen“

Berlin (pag) – Digitalisierung, E-Health, Big Data – dieser Dreiklang wird momentan im Gesundheitswesen intensiv diskutiert. Er weckt Hoffnungen, aber auch Befürchtungen. Im „Interview des Monats“ befragen wir den Health-IT-Experten Dr. Peter Langkafel, was tatsächlich hinter dem Hype steckt. Langkafel arbeitet seit über 20 Jahren an der Schnittstelle von Medizin, Business und Informationstechnologie.

Das digitale Gesundheitswesen ist momentan in aller Munde – wie viel heiße Luft steckt dahinter oder geht es um echte Innovationen?

Peter Langkafel: Der Digitalisierungsgrad und damit die Menge von digitalen Daten in der Medizin wachsen enorm, dafür gibt es drei wesentliche Gründe. Erstens besteht unser Gesundheitssystem noch zum größeren Teil aus Papier. Die Digitalisierung der Prozesse findet ja gerade erst statt! In Krankenhäusern und Arztpraxen wird Papier zum Teil erstmalig abgelöst. Zweitens gibt es eine Vielzahl neuer diagnostischer Instrumente. Nicht nur in der Genetik, auch in bildgebenden Verfahren entstehen bedeutende Mengen neuer digitaler Daten. Der dritte Grund ist, dass Patienten immer mehr Daten selbst mitbringen. Die Daten gab es vorher noch gar nicht, jetzt werden sie mittels Smarthphone oder einfacher Sensoren gesammelt.
Daraus ergibt sich ein hohes Innovationspotenzial: bei der Vernetzung, der Analyse und der Nutzung von digitalen Daten. Allerdings heißt Innovation ja nicht Invention, also dass etwas „nur“ neu ist. Innovation braucht die „Diffusion“, die Akzeptanz und die Nutzung im System. Daran wird sich „Digital Health“ messen lassen müssen und zeigen, dass dies nicht nur heiße Luft ist… .

Der Gesetzgeber ringt aktuell mit dem E-Health-Gesetz. Wie bewerten Sie den Entwurf? Wird es Veränderungen geben, die für Patienten spürbar sind?

Langkafel: In einer der ersten Versionen des Gesetzentwurfes kam das Wort „mobile“ nicht vor – und aktuell wird ein Medikationsplan AUF PAPIER im Gesetz gefordert. Das bedeutet: Das Gesetz bleibt deutlich hinter den Möglichkeiten zurück. Wofür steht dieses „E“? Für Eigentlich-wollen-wir-nur-die-eGK-fördern-und-keiner-traut-sich-zu-sagen-dass-das-Projekt-gescheitert-ist? Für Ein-schöner-Titel-der-Hoffnungen-weckt-die-nicht-erfüllt-werden? Was schließlich beim Patienten ankommt – etwa auch telemedizinische Angebote – ist noch nicht wirklich klar. Es ist zu befürchten, dass dies nur ein sehr kleiner Schritt in die richtige Richtung sein wird.

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist eng mit dem Thema Big Data verbunden. Wo sehen Sie die größten Potenziale für Big-Data-Anwendungen, welche Risiken und Nebenwirkungen gibt es?

Langkafel: Wir sprechen immer negativ vom „gläsernen Patienten“, dabei ist Glas ein wunderbares Material, das Wind und Wetter bei freier Sicht abhalten kann, getrübt und gefärbt werden kann. Mit Glas kann die Menschheit schon seit etwa 1.500 v.Chr. umgehen. Viele andere Länder sind digital weiter im Gesundheitsbereich und haben gute Lösungen zum „gläsernen Patienten, Arzt, Krankenhaus und Krankenkasse“ gefunden. Datenschutz und Datenschatz – das ist kein Widerspruch, sondern gehört zusammen.

Inwiefern?

Langkafel: Wir müssen die Daten davor schützen, NICHT benutzt zu werden. Nur ein Beispiel: Laut einer Studie sterben rund 50.000 Menschen pro Jahr an unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Die Daten liegen zum großen Teil digital vor, werden aber leider nicht genutzt. Ein anderes Beispiel ist die Analyse sogenannter „seltener Erkrankungen“. Wir brauchen Datenbanken, die dem Arzt dabei helfen, Krankheiten zu verstehen, die er vielleicht nur einmal im Leben sieht. Digitale Medizin wird jedoch weitergehen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Langkafel: In der Diagnostik – zum Beispiel im Bereich Bilddiagnostik – wird „der Computer“ in Kürze den Radiologen zwar nicht gleich ersetzen, aber doch weit mehr Aufgaben in der Bilderkennung übernehmen. Und es wird „digitale Therapieformen“ oder zumindest „Therapieunterstützungen“ geben, die vom Kollegen Computer übernommen werden.

Bevor es soweit ist, müssen aber noch viele offene Punkte geklärt werden...

Langkafel: Das stimmt. Big Data = Big Grauzone, aus dieser Situation müssen wir dringend heraus. Wem gehören die Daten, wer darf was damit was machen, welche Sanktionen greifen bei Missbrauch und welche digitalen Wahlmöglichkeiten im Gesundheitsbereich müssen wir entwickeln? Das sind nur einige der Fragen, die noch zu klären sind. Übrigens nicht von IT-Abteilungen oder Start-ups, sondern in einem politischen Prozess.