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Interviews
10.08.2016

Interview des Monats mit Prof. Bernhard Wörmann „Nutzenbewertung und Leitlinien dürfen keine Parallelwelten sein“

Berlin (pag) – Ein Arztinformationssystem soll den Verordnern die Ergebnisse der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel nahe bringen. Welche Anforderungen ein solches System erfüllen sollte, erläutert Prof. Bernhard Wörmann, medizinischer Leiter der DGHO, im „Interview des Monats“. Darin erklärt er auch, warum sich die medizinischen Fachgesellschaften aus den Preisdebatten heraus halten.

Die DGHO hat eine Ampel als Arztinformationssystem ausdrücklich abgelehnt. Welche Anforderungen muss Ihrer Meinung nach ein solches System erfüllen?
Prof. Wörmann: Wenn man den Aufwand für ein solches System betreibt, sollte es nicht allein auf die Ergebnisse der Nutzenbewertung reduziert werden. Das wäre verschenkte Energie. Die Daten aus dem gesamten Verfahren der frühen Nutzenbewertung gehen weit über den Beschluss, ob ein Zusatznutzen nicht belegt, beträchtlich oder gering ist, hinaus. Diese Informationen, die wir aus den Dossiers herausholen, die wir in Anhörungen austauschen und die in den Stellungnahmen stehen, sollten ebenfalls integriert werden und nicht beiseite gelassen werden.

Welche Zusatzinformationen sind das genau?
Prof. Wörmann: Für die Verordner ist neben dem Ergebnis der Bewertung ebenfalls relevant, welche Subgruppen gebildet wurden, auf welcher Grundlage das geschehen ist, wie sich die Datenlage darstellt und auf welche Endpunkte sich die Bewertung bezogen hat. Darüber hinaus ist wichtig, wie die Nutzenbewertung in den Kontext der Leitlinien passt. Vermieden werden muss, dass eine Art zusätzliches Guidance-System installiert wird, das im Widerspruch zu den Empfehlungen der Leitlinien steht. Nutzenbewertung und Leitlinien dürfen keine Parallelwelten sein.

Die klinische Forschung ist nicht mit der frühen Nutzenbewertung beendet. Was heißt das für ein Arztinformationssystem?
Prof. Wörmann: Ein solches System ist regelmäßig zu aktualisieren. Wir haben inzwischen Beschlüsse von Nutzenbewertungen aus den Jahren 2011 und 2012, bei denen die Welle von neuen Informationen weit über den damaligen Wissensstand hinausgegangen ist. Diese aktuellen Informationen müssen gepflegt werden.

Die medizinischen Fachgesellschaften wollen sich stärker in die frühe Nutzenbewertung einbringen. Sie halten sich aber bei Preisdebatten vollkommen heraus.
Prof. Wörmann: Für uns ist es wichtig, an einer Basis für vernünftige Preisverhandlungen mitzuarbeiten. Die Fachgesellschaften sollten sich aber nicht konkret in die Verhandlungen einmischen. Ich persönlich möchte nicht für meinen Patienten entscheiden, wie viel Euro er wert ist. Ich möchte ihm sagen können, dass es einen gesellschaftlichen Prozess gibt, an dem wir uns beteiligt haben und der dazu geführt hat, dass dieser Preis für das Präparat festgelegt worden ist.  


Das vollständige Interview mit Prof. Wörmann erscheint im September im opg-Infodienst der Presseagentur Gesundheit.