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Interviews
14.03.2017

Interview des Monats mit Prof. Michael Hallek „Der richtige Mix, um jeden Krebspatienten optimal zu versorgen“

Berlin (pag) – „Wissen generierende onkologische Versorgung“ lautet der Titel eines Positionspapiers, das eine interdisziplinär besetzte Arbeitsgruppe Anfang März in Berlin vorgestellt hat.* Es sieht vor, Wissenslücken beim Einsatz von Innovationen mittels translationaler Tumorboards schneller zu schließen. Diese sollen mit den betreuenden Ärzten kooperieren, beide verpflichten sich zur Dokumentation der Behandlungsdaten über klinische Krebsregister. Der Onkologe Prof. Michael Hallek hat das Positionspapier mit verfasst, im „Interview des Monats“ erläutert er Details.

In der Onkologie sind in einigen Feldern die Innovationsdichte und -geschwindigkeit rasant gestiegen. Welche Herausforderungen sind für den behandelnden Arzt damit verbunden?

Prof. Hallek: In einer ganz stark von Innovationen geprägten Landschaft muss man als Arzt häufig sehr genau überlegen, welche Therapie man den Patienten empfiehlt. Es gibt keine so eindeutigen Standards mehr, weil ganz viele Dinge gleichzeitig kommen. Man weiß dann nicht: Was ist Ersttherapie, ist es in Kombination besser, ist es in der Kombination mit der alten Therapie besser? In dieser Situation sollte man alles dafür tun, Unsicherheit durch neues Wissen zu verringern. Das kann durch Studien geschehen oder durch Register, in denen man die Patienten kontrolliert behandelt und dadurch neues Wissen generiert, um diese Unsicherheit abzubauen.

Worin besteht für Sie der konkrete Mehrwert des vorgestellten Konzepts?

Prof. Hallek: Ich sehe den Mehrwert in zweierlei Hinsicht. Erstens wird für die Patienten in Zukunft mehr Sicherheit – auch mehr Datensicherheit – gewährleistet sein, weil sie wissen, wie die Medikamente im Alltag wirken. Zweitens glaube ich, dass es neben dem Nutzen für die Patienten auch einen für die Gesellschaft gibt. Eine stark forschungsorientierte Gesundheitslandschaft ist ein enormer Wirtschaftsfaktor für neue Medikamente. Das heißt, man kann darauf hoffen, dass diese generell schneller verfügbar werden, weil die Pharmaindustrie in einer solchen Landschaft ihre neuen Mittel gerne als erstes erproben wird.

Welches sind die wichtigsten Probleme, denen sich die onkologische Versorgung in den kommenden Jahren stellen muss?

Prof. Hallek: Ich glaube, die große Herausforderung besteht darin, zu einem guten System zu kommen, das Innovationen schnell integriert und verarbeitet – dabei geht es nicht nur um Medikamente, sondern das betrifft auch neue Technologien und neue diagnostische Verfahren. Daraus gilt es, den richtigen Mix, die richtige Rezeptur zu finden, um jeden Patienten optimal zu versorgen. Das ist eine organisatorische Herausforderung. Diese gilt es zu meistern, damit sich der Arzt darauf konzentrieren kann, den einzelnen Patienten zu führen und zu betreuen.

* Die Arbeitsgruppe „Zukunft in der Onkologie“ wurde Ende 2015 gegründet und besteht aus Abgeordneten verschiedener Bundestagsfraktionen sowie Vertretern von Krankenkassen, der ambulant und stationär tätigen Ärzteschaft, der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, Wissenschaft und Patientenorganisationen.

Pressematerial inklusive des Positionspapiers „Wissen generierende onkologische Versorgung“

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