Direkt zu:

Interviews
24.10.2019

Interview des Monats mit Karin Maag und Sabine Dittmar Wann kommt die Nationale Diabetes-Strategie?

Berlin (pag) – Schon lange wird in der Politik über eine Nationale Diabetes-Strategie diskutiert. Dass diese notwendig ist, bestreitet niemand mehr. Erst vor wenigen Tagen hat die Grünen-Bundestagsfraktion die Regierung aufgefordert, umgehend eine Diabetes-Strategie zu initiieren. Zum aktuellen Stand nehmen die gesundheitspolitischen Sprecherinnen von CDU/CSU und SPD, Karin Maag und Sabine Dittmar, im „Interview des Monats“ Stellung.

Brauchen wir in Deutschland eine Diabetes-Strategie?
Sabine Dittmar: Wir müssen ganz grundsätzlich mehr für die Vermeidung von chronischen Krankheiten, die durch den Lebensstil, durch Umwelt- und Arbeitsbedingungen und die soziale Lage bedingt oder beeinflussbar sind, tun. Die hohen Risiken vor allem bei Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Familien für eine chronische Erkrankung wie Diabetes mellitus Typ 2 sowie die Erkrankungszahlen hier geben nach wie vor Anlass zur Sorge. Die Krankenkassen haben unter den veränderten Rahmenbedingungen des Präventionsgesetzes erhebliche Anstrengungen unternommen, mit gesundheitsfördernden Maßnahmen stärker in den Alltag der Menschen vorzudringen. Messbare und nachhaltige Erfolge können aber nur dann erzielt werden, wenn Gesundheitsförderung und Prävention in allen Politikfeldern und von allen verantwortlichen Akteuren verbindlich als Aufgabe wahrgenommen wird. Eine Diabetes-Strategie ist nicht nur zur Verbesserung der Diabetesprävention und Versorgung wichtig, sondern auch, um diesen dringend notwendigen strategischen Prozess zu befördern.

Karin Maag: Die Zahlen sprechen für sich: Diabetes ist weltweit auf dem Vormarsch. Aktuell leiden etwa 9 Millionen Menschen in Deutschland unter einem Diabetes, inklusive einer Dunkelziffer von circa 10 Prozent. Jedes Jahr steigt hierzulande die Zahl der Erkrankten um circa 300.000 Menschen an – fast 1.000 neue Erkrankungen täglich. Um diese enorme Ausbreitung einzuschränken, brauchen wir eine klare Strategie. Diese muss sich auf unterschiedliche Bereiche konzentrieren. Dazu zählen Versorgung, Forschung, Aufklärung und nicht zuletzt Prävention.
Ziel ist es, eine hochwertige, flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Wer bereits Diabetiker ist, benötigt eine kontinuierliche, wohnortnahe, ambulante Langzeitbetreuung. Hier ist besonders die Verzahnung der vorhandenen Strukturen (Hausarzt, Schwerpunktpraxis, Klinik) auszubauen. Genauso wollen wir durch die Einrichtung eines Nationalen Diabetes-Registers die Forschung vorantreiben. Im aktuellen Haushalt des Bundesministeriums für Gesundheit sind zudem bereits Mittel zu unterschiedlichen Maßnahmen vorgesehen, die sich Projekten zur Aufklärung und Prävention widmen.
 
Warum braucht die Politik so lange, um eine solche Strategie zu beschließen?
Sabine Dittmar: Mit dem Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD verpflichtet, verstärkt gegen sogenannte Volkskrankheiten vorzugehen und dazu auch eine Nationale Diabetes-Strategie zu initiieren. Diese Strategie wird von der Bundesregierung erarbeitet. Als Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker der Koalitionsfraktionen im Bundestag beraten wir derzeit die wesentlichen Bestandteile, die eine Nationale Diabetesstrategie der Bundesregierung aus unserer Sicht haben sollte. Fragen im Zusammenhang mit einer gesunden Ernährung können hier nicht unbeachtet bleiben. Andernfalls bearbeiten wir weiter vor allem die Symptome und weniger die Ursachen für chronische Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2. Als Gesundheitspolitikerin und Ärztin wünsche ich mir mehr Mut bei Nähwertkennzeichnung, Werbebeschränkungen und bei der Reduktion von Zucker in zuckergesüßten Getränken. Darüber beraten wir, wenn es sein muss, auch gerne etwas länger, wenn am Ende, wie ich hoffe, das Ergebnis stimmt.

Karin Maag: Wir Gesundheitspolitiker sind uns hinsichtlich der Maßnahmen im Rahmen einer Nationalen Diabetes-Strategie grundsätzlich sehr einig. Allerdings handelt es sich hierbei um eine ressortübergreifende Strategie, bei der unterschiedliche Ausschüsse berücksichtigt werden. Ich will nur exemplarisch hinsichtlich des Bereichs Ernährung auf eine Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Landwirtschaft und Verbraucherschutz verweisen. Demnach besteht sowohl fraktionsintern als auch parteiübergreifend viel Abstimmungsbedarf, um alle Beteiligten für die gleichen Wege zum Ziel zu gewinnen. Wir stehen nun aber kurz vor der Einigung und sind zuversichtlich, unsere Nationale Diabetes-Strategie zeitnah im Bundestag einbringen zu können.