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Interviews
27.01.2020

Interview des Monats in den Havelland Kliniken „Eine Antibiotikatherapie, die auf guten Füßen steht, rettet Leben“

Nauen (pag) – Gerechte Gesundheit zur Stippvisite in den Havelland Kliniken. Diese setzen sich für eine rationale Antibiotikatherapie ein  – Antibiotic Stewardship lautet das Stichwort. Im „Interview des Monats“ erklären die Veranstwortlichen, wie die Initaitive bei ihnen im Alltag gelebt wird.

Ihre Klinik zeichnet ein besonderes Engagement für eine rationale Antibiotika-Therapie aus. Warum machen Sie das?
Dorit Zahn: Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, Initiativen von engagierten Mitarbeitern zu fördern und das ist ein Beispiel dafür. In diesem Fall kam die Initiative von zwei Seiten: von unserer Krankenhausapothekerin Frau Buro und den beiden Anästhesie-Chefärzten Frau Dollman und Herrn Dr. Ingenlath. Für uns ist das Antibiotic Stewardship ein Beitrag, um gute Qualität bei der Versorgung unserer Patienten zu liefern.

Frau Dollman, was treibt Sie an?
Martina Dollman: Aus der Intensivmedizin wissen wir: Eine Antibiotikatherapie, die auf guten Füßen steht, rettet Leben. Konkrete Beispiele dafür sind eine verringerte Sepsis- und Pneumoniesterblichkeit. Wir versuchen auch, uns damit Resistenzen soweit es geht vom Hals zu halten. Und wir können unseren Kollegen Sicherheit und gutes Wissen vermitteln, das sie für ihre tägliche Arbeit brauchen.

Sie haben verschiedene Maßnahmen ergriffen, um gezielte Antibiotika-Therapien sicherzustellen. Welche sind besonders erfolgreich?
Matthias Ingenlath: Eine Erfolgsgeschichte ist der Umgang mit dem besonders pathogenen Bakterium Staphylococcus aureus, das bei einer Blutstrominfektion mit einer Sterblichkeit von 40 Prozent einhergeht. Bei den betroffenen Patienten ist ein sehr komplexes Programm notwendig: Die passenden Medikamente sind auszuwählen, die richtigen Untersuchungen durchzuführen, Blutkulturen müssen wiederholt entnommen werden. Das ist alles sehr aufwendig, aber damit können wir Leben retten. Wir machen an beiden Klinikstandorten in Nauen und Rathenow Fortbildungen dazu und erleben mittlerweile bei den Assistenz- und Oberärzten eine hohe Sensibilität für das Thema.

Martina Dollman: Was wir hier vor Ort machen können, ist zugleich am schwierigsten in einem Krankenhaus zu gestalten, nämlich Antibiotika-Visiten auf den einzelnen Stationen. Das klappt nur in Häusern, die ihren Mitarbeitern dafür die notwendigen Freiräume gewähren. Denn wer einen Kurs zu dem Thema besucht und anschließend seine tägliche Arbeit weitermacht, kann nicht viel bewegen.

Matthias Ingenlath: Uns hat man dafür Mandat und Deputat gegeben.

Und was machen Sie konkret?
Martina Dollman: Wir sind einmal pro Woche bei den Kollegen im Stationszimmer und besprechen mit ihnen alle Patienten, die eine Antibiotika-Therapie bekommen. Seit 2015 haben wir verschiedene Projekte zu dem Thema gestartet, aber der Durchbruch kam mit diesen Visiten, die wir gemeinsam mit der Stationsapothekerin durchführen.

Wie wurden diese Visiten implementiert?
Johanna Buro: Wir haben die Visiten 2015 als Pilotprojekt in der allgemeinchirurgischen Abteilung gestartet, wobei uns der Chefarzt von Anfang an unterstützt hat. Um das Projekt von der Klinikleitung genehmigt zu bekommen, haben wir detailliert vorgestellt, welche Ziele wir erreichen wollen. Außerdem haben wir speziell für die Allgemeinchirurgie eine Leitlinie aufgestellt – welche Antibiotika dürfen eingesetzt werden, was ist bei welcher Erkrankung indiziert? Im Fokus unserer Bemühungen stand insbesondere, das richtige Bakterium nachzuweisen. 



Martina Dollman: Das Projekt war erfolgreich: Wir haben unser Ziel erreicht, es wurden weniger Antibiotika verbraucht und die Kollegen haben mehr Sicherheit gewonnen. Dieses Pilotmodell hat sich dann im ganzen Haus herumgesprochen und seit vergangenem Jahr führen wir die Visiten auf allen Stationen durch.


Mit Antibiotic Stewardship ist ein programmatisches, nachhaltiges Bemühen einer medizinischen Institution oder eines Gesundheitssystems um Verbesserung und Sicherstellung einer rationalen Antiinfektivaverordnungspraxis gemeint. Die ABS Initiative Deutschland geht auf die Aktivitäten der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie mit ihrer Sektion Antibiotic Stewardship und auf die Projekte der Abteilung Infektiologie am Universitätsklinikum Freiburg (frühere BMBF-Forschergruppe Klinische Infektiologie) in Kooperation mit verschiedenen Gesellschaften und Verbänden zurück.


Weitere Informationen: www.antibiotic-stewardship.de