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Interviews
29.11.2012

Interview des Monats mit Helmut Hildebrandt „Gesundes Kinzigtal – Patienten leben länger“

Versicherte, die sich in die Integrierte Versorgung 'Gesundes Kinzigtal' einschreiben, leben länger. Das hat vor kurzem eine Studie bestätigt. Demnach verzögert sich der Sterbezeitpunkt gegenüber nicht eingeschriebenen Versicherten im Schnitt um 15 Monate. Davon profitieren gegenwärtig rund 31.000 AOK-/LKK-Versicherte in Baden-Württemberg. Die Gesundes Kinzigtal GmbH koordiniert die medizinische Gesamtversorgung über alle Leistungserbringer hinweg. Im „Interview des Monats“ erläutert ihr Geschäftsführer Helmut Hildebrandt das gute Ergebnis.

Warum leben die Menschen in dem Projekt 'Gesundes Kinzigtal' länger?

Hildebrandt: Zurzeit können wir erst einmal nur feststellen, dass sie in signifikant geringerer Anzahl und zu einem späteren Zeitpunkt als die Vergleichsgruppe versterben. Sie erreichen im Durchschnitt ein um 1,4 Jahre höheres Todesalter. Für sichere Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge ist es noch zu früh. Wir gehen dabei von einem Bündel von Ursachen aus, aber im Kern scheint das verbesserte Arbeitsbündnis zwischen Patienten und Ärzten sowie Pflegenden und Therapeuten ursächlich zu sein.

Zum Aufwand: Steht er im Verhältnis zu der relativ geringen Zahl an Menschen, die davon profitieren?

Hildebrandt: Letzten Endes ist dies eine Optimierungsrechnung. Zieht man eine kleine Furche und hofft, dass diese trotzdem für die Saat reicht, oder geht man davon aus, dass man angesichts der vielfältigen auch gesundheitlich eher negativen Umgebungseinflüssen der heutigen Zeit eine tiefere Furche braucht, damit die Saat richtig aufgehen kann. Wir gehen von letzterem aus und sehen uns durch den Erfolg bestätigt. Pro Jahr investieren wir etwa einen Betrag von knapp 2 Millionen Euro für die zusätzliche Zeit der Ärzte und Physiotherapeuten etc., für die Organisation des ganzen Projekts, das laufende Controlling der Ergebnisse (und die jeweilige Anpassung und neue Fokussierung der Programme) sowie die externe wissenschaftliche Evaluation. Auf die insgesamt knapp 31.000 Versicherten der beiden Krankenkassen AOK und LKK Baden-Württemberg gerechnet rechtfertigen die Ergebnisse diesen Einsatz. Sowohl für die Krankenkassen als auch für die Ärzte und die Managementgesellschaft wie aber auch für die Patienten entsteht ein angemessener Nutzen. Was will man mehr?

Ist das Projekt ein Modell für die Zukunft? Halten Sie es für übertragbar auf andere Regionen/Städte?

Hildebrandt:
Es ist in hohem Maße zukunftsfähig. Wir haben mit dem Modell 'Gesundes Kinzigtal' eine Lösung entwickelt, die sich durch eine gute Balancierung ethischer, qualitativer und wirtschaftlicher Anreize auszeichnet und dabei gleichzeitig der Patientensouveränität sowie der zivilgesellschaftlichen Mitbeteiligung den angemessenen Raum gibt. Gestützt fühlen wir uns durch die  internationalen Parallelentwicklungen, etwa die Accountable Care Organizations unter Obama in den USA, die Clinical Commissioning Groups in England und weitere vergleichbare Initiativen etwa in Holland und in der Schweiz. Bei der Übertragbarkeit muss ich etwas differenzieren.