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22.02.2021

Interview des Monats mit Prof. Jürgen Wasem Hochpreisarznei im Risikopool

Berlin (pag) – Prof. Jürgen Wasem hat eine Novellierung des Risikopools vorgeschlagen. Die Reform soll P4P-Verträge für teure Arzneimittel, etwa Gentherapien, mit der Finanzarchitektur der GKV passförmig machen. Konkret sollen Ratenzahlungsmodelle für Hochkostentherapien und Einmalzahlungen hinsichtlich der Finanzentwicklung für die Krankenkassen gleichgestellt werden. Im Interview erläutert Wasem die Hintergründe und seinen Reformvorschlag, der es via Änderungsantrag zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) ins SGB V schaffen könnte.

Herr Prof. Wasem, der Risikopool ist gerade erst zum Jahresanfang eingeführt worden und schon schlagen Sie eine Änderung vor. Es geht dabei um hochteure Arzneimittel, zum Beispiel Gen-Therapien. Worum geht es genau?
 Bei diesen Arzneimitteln gibt es oft die Überlegung, ihre Bezahlung mit Pay-for-Performance-Elementen zu verknüpfen. Denn zum Beispiel Gentherapien treten mit dem Anspruch einer langen, ja lebenslangen, Wirkdauer an. Die Daten sind aber bei der Zulassung noch sehr unzuverlässig. Die Kassen haben bei diesen hohen Preisen von ein bis zwei Millionen Euro ein legitimes Recht, nur zu bezahlen, soweit die Therapien auch den versprochenen Erfolg haben. Solche neuen Bezahl-Modelle werden aber aktuell sehr unbefriedigend in dem neuen Risikopool abgebildet. Das will mein Änderungsvorschlag ändern.

Und worin liegen die Probleme beim Risikopool?
 Beim Risikopool fällt jedes Jahr eine „Selbstbeteiligung“ der Krankenkassen von 100.000 Euro bei den Ausgaben für den einzelnen Versicherten an. Die muss die Krankenkasse selber tragen, Ausgaben für einen Versicherten oberhalb dieser Schwelle werden zu 80 Prozent vom Pool erstattet. Bei einem Ratenzahlungsmodell fällt die Selbstbeteiligung nun in den späteren Jahren jeweils erneut an – es ist damit deutlich teurer für die jeweilige Kasse als die Einmalzahlung im ersten Jahr, wo die Selbstbeteiligung nur einmal anfällt. Ratenzahlungsmodelle sind – um es mit den Worten einer Apothekerin aus der GKV auszudrücken – „unter Risikopool mausetot“. Mein Vorschlag geht dahin, dass die Selbstbeteiligung bei hochteuren Arzneimitteln nur im ersten Jahr anfällt.

Das ist bei den Einmalzahlungen mit Rückzahlungen dann aber ja kein Problem …
Da ist es umgekehrt aber so, dass die Kasse sich auf Kosten des Risikopools und damit der Solidargemeinschaft „bereichern“ kann. Denn im ersten Jahr übernimmt der Risikopool ja dabei einen Großteil der Kosten. In den späteren Jahren eintreffende Rückflüsse wegen Misserfolg muss die Krankenkassen aber nicht mit dem Risikopool teilen, sondern kann sie voll für sich vereinnahmen. Hier schlage ich folgerichtig vor, dass der Pool, der ja im ersten Jahr 80 Prozent der 100.000 Euro übersteigenden Kosten erstattet hat, in den späteren Jahren auch 80 der Rückzahlungen des Pharmaunternehmens erhält. Werden beide Änderungen umgesetzt, werden alle Zahlungsmodelle gleich behandelt.

Hat der Gesetzgeber die Probleme bei Einführung des Risikopools nicht gesehen?
In der Anhörung im Gesundheitsausschuss zur RSA-Reform – dem GKV-FKG – ist das Problem mal kurz andiskutiert worden, aber niemand ist dann intensiver drauf eingestiegen. Das liegt sicher auch daran, dass die große Dynamik, die Zell- und Gentherapien nehmen, vielen erst im Laufe des letzten Jahres bewusst geworden sind. Außerdem ist es so, dass sich die von mir vorgeschlagenen Änderungen zwar einfach anhören, aber technisch durchaus anspruchsvoll sind. Ich habe deswegen in den vergangenen Monaten auch intensive Gespräche mit Experten, etwa zur Buchführung von Krankenkassen, geführt, bevor ich mir sicher war, diese Vorschläge unterbreiten zu können.

Hinweis der Redaktion: Das vollständige Interview mit Prof. Wasem ist im opg (Operation Gesundheitswesen, Ausgabe 4/2021) der Presseagentur Gesundheit nachzulesen.

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