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24.01.2018

Öffentlicher Gesundheitsdienst 55 Amtsarztstellen in Berlin unbesetzt

Berlin (pag) – „Der öffentliche Gesundheitsdienst in Berlin ist krank“, stellt PD Dr. Peter Bobbert, Landesvorsitzender Berlin-Brandenburg des Marburger Bunds (MB), auf einer Pressekonferenz fest. 55 von 441 Arztstellen sind in den Gesundheitsämtern der Stadt derzeit unbesetzt.

Die Prognose für die kommenden Jahre sieht noch schlechter aus, da viele Ärzte das Ruhestandalter erreicht haben, potenzielle Nachfolger aber nicht in Sicht sind. Zwar sind laut Bobbert in den vergangenen vier Jahren vom Berliner Senat mehr Stellen im öffentlichen Gesundheitsdienst geschaffen worden – „aber nur auf dem Papier, die Stellen sind nämlich unbesetzt“. Die Gründe dafür seien vielschichtig, wie Armin Ehl, Hauptgeschäftsführer des MB, ausführt. Das Hauptübel liege an der deutlich schlechteren Bezahlung von Ärzten in Gesundheitsämtern im Vergleich zu Klinikärzten. Im Schnitt bekommen die Amtsärzte mindestens 1.000 Euro brutto weniger als ihre Kollegen in Krankenhäusern – „in den meisten Fällen aber noch weniger“, sagt Ehl.
Einen besonders hohen Mangel attestiert Dr. Claudia Kaufhold, Geschäftsführerin des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), bei Hygiene- und Kinderärzten in den Berliner Ämtern. Vor allem letztere sind ihrer Ansicht nach entscheidend für Kinder aus sozial schwachen Familien, die oftmals die Vorsorgeuntersuchungen bei niedergelassenen Kinderärzten nicht beanspruchten. Der Amtsarzt richte bei ihnen während der Einschulungsuntersuchung ein besonderes Augenmerk auf medizinische Auffälligkeiten und könne diese gezielt „herausfischen“. Nicht nur, um die ärztliche Versorgung zu sichern, sei dieser Befund wichtig. Die Schulen müssten über Auffälligkeiten bei den künftigen Erstklässlern rechtzeitig informiert werden, damit sie bei den Bezirksämtern einen Förderantrag für diese Kinder stellen können. „Häufig schaffen die Amtsärzte wegen der herrschenden Unterbesetzung nicht, die Gutachten rechtzeitig an die Schulen weiterzuleiten. Die Folge ist, dass die Kinder im ersten Jahr nach Einschulung keine Förderung bekommen“, sagt Kaufhold.
Der MB fordert als ersten Schritt für eine Verbesserung und Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Gesundheitsdienstes eine Anhebung der Vergütung, die dem vom Marburger Bund erarbeiteten arztspezifischen Tarifvertrag folgen soll. „Nur durch die Anerkennung der ärztlichen Tätigkeit und Bezahlung nach Arzttarifen werden sich die Ärztinnen und Ärzte auf die offenen Stellen im öffentlichen Gesundheitsdienst bewerben“, ergänzt Bobbert.

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