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26.06.2018

Wissenschaft Aufruf zu mehr Ethik in der vorklinischen Forschung

Berlin (pag) – Vermeidbare Fehler in der präklinischen Forschung führen dazu, dass Studien an Patienten durchgeführt werden, die hohe Risiken und geringe Erfolgsaussichten aufweisen. Davor warnen der Neurologe Prof. Ulrich Dirnagl und der Medizinethiker Prof. Daniel Strech, Berliner Institut für Gesundheitsforschung und Charité.

Beide appellieren an Ärzte, sich stärker mit ihrer ethischen Verantwortung für Patienten auseinanderzusetzen und für eine verbesserte Qualität in der präklinischen Forschung einzutreten.
In einem aktuellen Essay beziehen sie sich auf neurodegenerative Erkrankungen, weil das Problem dort besonders akzentuiert zutage trete – die Erfolgsaussichten früher Studien für neue Wirkstoffe oder biologische Präparate seien äußerst gering. Etwa bei ALS, einer schweren Erkrankung, die schnell fortschreitet und tödlich verläuft. Die Teilnahme an Phase-I-Studien sei bei vielen Patienten mit der Hoffnung auf jede noch so kleine Verbesserung des Zustandes verknüpft. „Dabei entstehen oft hohe Belastungen durch die Studienteilnahme und die Erfolgsaussichten sind meist gering – zum Beispiel, wenn das Leben dieser Patienten um wenige Wochen verlängert wird, aber gleichzeitig die Lebensqualität sinkt“, sagt Dirnagl. „Da müssen wir besonders gut hinschauen, welchen Risiken und Belastungen wir die Erkrankten durch die Studienteilnahme aussetzen.“
Zwar existieren Richtlinien für eine gute Ausgestaltung präklinischer Studien wie die 2010 entwickelte ARRIVE-Richtlinie. Sie würden jedoch weitgehend ignoriert werden, kritisiert das Autorenteam. Andere gesetzlich verpflichtende Maßgaben wie die Richtlinie zur Planung von Schlaganfall-Studien der European Medicines Agency (EMA) entsprächen nicht den aktuellen Empfehlungen einschlägiger Experten. „In der Summe sind die Probleme, mit denen präklinische Forschung behaftet ist, so gravierend, dass wir bezweifeln, ob frühe klinische Studien den geltenden ethischen Anforderungen wie zum Beispiel einer vorausgehenden, robusten Nutzen-Schaden Abwägung entsprechen“, hebt Strech hervor.
 
Er und Dirnagl appellieren an Mediziner, nicht nur für das nächste Paper zu forschen und Translation ernst zu nehmen. Das Bewusstsein für Mängel in der präklinischen Phase und deren Konsequenzen müsse gestärkt werden – „damit es künftig mehr Studien gibt, die höhere Erfolgsaussichten für am Patientenwohl orientierte Innovationen bieten und zugleich weniger Belastungen mit sich bringen“, sagt Dirnagl.

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