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04.06.2018

Analyse BMG veröffentlicht Gutachten zur G-BA-Legitimation

Berlin (pag) – Lange waren sie unter Verschluss, jetzt hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die drei Rechtsgutachten zur verfassungsrechtlichen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) veröffentlicht.

Die Gutachten von Prof. Ulrich M. Gassner, Universität Augsburg, Prof. Dr. Thorsten Kingreen, Universität Regensburg, und Prof. Dr. Winfried Kluth, Universität Halle-Wittenberg „spiegeln die Bandbreite der in der Rechtswissenschaft vertretenen Positionen wider“, teilt das Ministerium mit.
Prof. Kingreen ist etwa überzeugt, dass der G-BA für den Erlass von allgemeinverbindlichen Richtlinien, die sogenannte Außenseiter – das heißt Versicherte sowie nicht im G-BA repräsentierte Leistungserbringer – mit einer gewissen Intensität betreffen, „keine verfassungsrechtlich hinreichende demokratische Legitimation“ besitze. Zur Verbesserung der personell-organisatorischen Legitimation schlägt er eine Allgemeinverbindlicherklärung der Richtlinien durch das BMG vor.

Vetorecht für Patientenvertreter

Prof. Gassner sieht bei mehreren Regelungsaufträgen an den G-BA gesetzgeberischen Änderungs- oder Konkretisierungsbedarf, „da sie den für eine demokratische Legitimation nicht ausreichenden Grad an gesetzlicher Anleitung aufweisen“. Der Gutachter nennt beispielsweise den so genannten Off-label-Use von Arzneimitteln und die Einbeziehung von Medizinprodukten in die Arzneimittelversorgung. Darüber hinaus empfiehlt er generelle Reformen, um die „brüchige Legitimationsbasis der G-BA“ zu verbessern. Dazu zählt er definitorische Präzisierungen einzelner im SGB V nicht definierter zentraler Begriffe – etwa schwerwiegende Erkrankung und therapeutischer Zusatznutzen. Als strukturelle Reformen schlägt er ein Vetorecht für die Patientenvertreter und die Einrichtung einer Schiedsstelle vor.
Den geringsten Reformbedarf sieht Prof. Winfried Kluth. Zwar werde die Bestellung der Vertreter des GKV-Spitzenverbandes nicht dem „Postulat der interessengerechten Organisationsstruktur“ gerecht. Grundsätzlich urteilt er jedoch, dass die Entscheidung des Gesetzgebers in Bezug auf die Organisation des G-BA und seiner Trägerschaft die institutionelle demokratische Legitimation begründe. Sie sei durch die Beschränkung der Trägerschaft auf die in besonderer Weise systemtragenden Organisationen bestimmt, für die es überzeugende Sachgründe gibt. Die sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation ergebe sich aus der Zusammenschau der allgemeinen und speziellen Normsetzungsermächtigungen.
Anlass für die Gutachten war eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im November 2015. Darin gab das Gericht zu bedenken, „inwieweit der Ausschuss für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet ist“.