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17.03.2025

Kongress Armut und GesundheitDie „Ausweitung der Lebenserwartungslücke“

Berlin (pag) – Die gesundheitliche Ungleichheit hat sich in den letzten Jahrzehnten verstärkt. Dies berichten Expertinnen und Experten auf dem Kongress Armut und Gesundheit in Berlin. Dieser steht unter dem Motto: „Gesundheit fördern, heißt Demokratie fördern“.

Dr. Jens Hoebel vom Robert Koch-Institut (RKI) stellt Trendanalysen auf Grundlage bundesweiter Sterbedaten vor. Frauen in Wohnregionen mit der höchsten sozio-ökonomischen Benachteiligung haben demnach eine 4,3 Jahre kürzere Lebenserwartung als jene in den wohlhabendsten Wohnregionen. Bei Männern betrage diese Differenz 7,2 Jahre. Hoebel betont, dass sich die Lebenserwartungslücke in der Zeit von 2003 bis 2022 vergrößert habe. Anfang der 2000er Jahre betrug sie noch 2,6 Jahre bei Frauen und 5,7 Jahre bei Männern. 
Dem Experten zufolge entwickelte sich bereits vor der Pandemie die Lebenserwartung in den wohlhabendsten Regionen günstiger als in den am stärksten benachteiligten Regionen. In der Corona-Zeit sei die Lebenserwartung insbesondere unter Frauen und Männern in stark benachteiligten Gegenden gesunken. „Beide Entwicklungen trugen zu der Ausweitung der Lebenserwartungslücke bei.“ 

Auch die psychische Gesundheit von Heranwachsenden ist ein Kongressthema. Die Daten der Health Behaviour in School-aged Children-Studie (HBSC) zeigten eine deutliche Verschlechterung – insbesondere während der Pandemie, hebt Dr. Anne Kaman vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hervor. Psychosomatische Beschwerden nehmen zu, die Einschätzung der subjektiven Gesundheit und Lebenszufriedenheit verschlechtert sich. 
Dr. Irene Moor, Leiterin des deutschen Studienverbunds der HBSC-Studie, betont, dass sich seit über 30 Jahren Unterschiede in der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nach ihrer sozialen Herkunft zeigten: „Es ist uns in dieser Zeit nicht gelungen, gesundheitliche Chancengleichheit für Kinder zu erreichen.“ 

Renate Antonie Krause vom Koordinationskreis der Nationalen Armutskonferenz stellt daher die Frage, warum so viel Geld für Studien ausgegeben werde, „wenn es die Politik, nach Wahrnehmung der meisten Menschen, augenscheinlich nicht interessiert, was kluge Köpfe herausgefunden haben?“ Krause ist selbst von Armut betroffen und vermutet: „Ich denke, es hat etwas damit zu tun, dass es in der Politik zu wenige Menschen gibt, die das ‚ganz normale Leben‘ überhaupt kennengelernt haben.“

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