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12.12.2019

Europäische Union Drohen Lieferengpässe auch bei Medizinprodukten?

Berlin (pag) – Der Europäische Rat bemüht sich, drohende Lieferengpässe bei Medizinprodukten und damit bei für Patienten wichtigen Hilfsmitteln zu verhindern. Gleichzeitig tut sich die Europäische Union (EU) schwer, eine kompromissfähige Lösung für eine einheitliche Nutzenbewertung für Arzneimittel und Gesundheitstechnologien zu finden.

Ende November hat der Europäische Rat, in dem die Regierungs- und Staatschefs der EU vertreten sind, ein „Corrigendum“ vorgelegt, mit dem Übergangsregelungen in der ab Ende Mai 2020 anwendbaren Medizinprodukte-Verordnung) Medical Device Regulation, MDR) verlängert werden sollen. Ziel ist es, absehbare Lieferengpässe vor allem bei Produkten der Klasse I zu vermeiden. Ob die Verlängerung der Übergangsregelung wirklich Abhilfe schaffen wird, bezweifelt kürzlich auf einem Rechtssymposion des Gemeinsamen Bundesausschusses Prof. Burkhard Sträter, Rechtsanwalt aus Bonn. Er glaube nicht, dass die Mehrheit der Produkte innerhalb der vierjährigen Verlängerung die nötigen Rezertifizierungen erhalten. „Das Problem wird uns dann wieder einholen“, so Sträter.
Hintergrund ist, dass Altprodukte der Klasse I mit CE-Zeichen vom Hersteller ab 25. Mai 2020 nicht mehr erstmalig in Verkehr gebracht werden dürfen. Eine neue Zertifizierung scheitert momentan aber daran, dass es dafür viel zu wenige sog. „Benannte Stellen“ gibt. Laut Sträter wurden bisher nur sieben solcher Stellen ermächtigt, für die In-vitro-Diagnostik sogar nur zwei. Der Europäische Rat will Herstellern deshalb bis Ende Mai 2024 erlauben, solche Altprodukte weiter in den Verkehr zu bringen.
In Sachen Health Technology Assessment (HTA) ist nach inzwischen gut zwei Jahren Verhandlungen auf europäischer Ebene immer noch kein Kompromiss abzusehen. Der Vorschlag, den die Kommission Anfang 2018 vorlegte, ist nach Aussagen von Ortwin Schulte, Ministerialrat in der deutschen Ständigen Vertretung bei der EU, ist im Rat nicht durchsetzbar. Bei der Kommission habe es bislang aber wenig politische Bewegung gegeben. Entscheidend sei, wie sich die neue Kommission jetzt zu den HTA-Vorschlägen stehe und sich einem Kompromiss nähere. „Ein Scheitern des Vorschlags ist möglich, wäre aber ein Rückschlag mit Breitenwirkung für die Integrationspolitik“, so Schulte.

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