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16.11.2020

PräimplantationsdiagnostikEinsatz bei Myotoner Dystrophie Typ 1 im Einzelfall möglich

Leipzig (pag) – Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verbietet in der Regel die Präimplantationsdiagnostik (PID). Besteht jedoch ein hohes Risiko, dass der Nachwuchs eines genetisch vorbelasteten Paares an der Muskelkrankheit Myotone Dystrophie Typ 1 erkrankt, kann sie im Einzelfall erlaubt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Geklagt hatte eine Frau, deren Partner eine genetische Disposition für die Erkrankung aufweist und selbst erkrankt ist. Mit ihrem Antrag auf Zustimmung zur Durchführung der PID war die Frau 2016 von der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik abgewiesen worden. Die hatte die Muskelerkrankung als nicht schwerwiegend genug eingestuft. Vor dem Verwaltungsgericht München und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof blieb die Frau mit ihrer Klage ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Revision der Klägerin nun jedoch stattgegeben und den Freistaat Bayern verpflichtet, den Antrag zustimmend zu bewerten.

Der Verwaltungsgerichtshof war davon ausgegangen, dass eine PID nur im Falle einer Erbkrankheit zulässig ist, die mindestens den Schweregrad der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne (DMD) aufweist. Von dieser Interpretation des ESchG weicht das Bundesverwaltungsgericht ab und erklärt: Aus der Vorschrift des § 3 über die verbotene Geschlechtswahl und der dortigen Einstufung der DMD als einer schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit lasse sich nicht ableiten, dass der Schweregrad der DMD auch Maßstab für die Bewertung einer Krankheit als schwerwiegend ist. Stattdessen führt das Gericht aus: „Nach der Gesetzesbegründung zu § 3a ESchG sind Erbkrankheiten insbesondere schwerwiegend, wenn die sich durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheiden.“ Auf dieser Basis müsse über die Zulässigkeit der PID in jedem Einzelfall gesondert entschieden werden. Im Fall der Klägerin liege auch unter Berücksichtigung weiterer Gesichtspunkte – etwa der Tatsache, dass ihr Partner selbst erkrankt ist – ein hohes Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit vor.

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