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23.04.2018

Bundesärztekammer EU-Kommission will deutsche Standards herunterregulieren

Berlin (pag) – Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, kritisiert im Vorfeld des 121. Deutschen Ärztetags die Richtlinien der Europäischen Kommission und fordert eine intensive Debatte um das Widerspruchsverfahren zur Organspende. Beim Thema Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche plädiert er für mehr Rechtssicherheit.

„Die Kommission Junker hat in ihrer Industriehörigkeit den Schuss aus England noch nicht gehört“, sagt Montgomery vor Journalisten in Berlin. Die Verhältnismäßigkeitsrichtlinie, nach der die Bundesärztekammer bei jeder Änderung der Berufs- oder der Weiterbildungsordnung prüfen müsse, ob sie im internationalen Kontext verhältnismäßig ist, bewertet er als Versuch der Brüsseler Bürokratie, tief in die Selbstverwaltung einzugreifen. „Das wird ein Wust an Verfahren beim Europäischen Gerichtshof auslösen“, prophezeit er. Den Entwurf der Richtlinie zur Harmonisierung der HTA-Prozesse sieht er als Bestreben, die hierzulande guten Qualitätsstandards auf das europäische Niveau herunterzuregulieren. „Auch dies ist ein Bückling vor der Industrie“, so Montgomery. Eine intensive Debatte kündigt er auf dem Ärztetag zur Organspende an. „Aus medizinischer Sicht ist die Widerspruchslösung am besten“, sagt der Ärzte-Vertreter. Aber es sei ein Widerspruch im Rechtssystem, wenn über jeden kleinen Eingriff umfangreich aufgeklärt werde und Patienten schriftlich ihr Einverständnis geben müssten, aber der größte denkbare Eingriff ohne jede vorherige Zustimmung durchgeführt werden dürfe. „Hier muss man tiefer an das Rechtssystem gehen“, sagt Montgomery. „Es ist nicht damit getan, einfach die Widerspruchslösung zu fordern.“ Er tritt außerdem dafür ein, die Transplantationsbeauftragten in den Kliniken finanziell und rechtlich zu stärken.
In Bezug auf das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche weist der BÄK-Präsident drauf hin, dass sich Wahrnehmung von Information und Werbung seit Entstehung des Paragrafen 219a StGB im Jahr 1992 erheblich verändert habe. Wichtig sei Rechtssicherheit, sowohl für Ärzte als auch für Patientinnen, sowie der Zugang zu Informationen für die Betroffenen. Die ärztliche Berufsordnung gebe bereits Regeln zu Information und Werbung vor, an die sich die Ärzte halten müssten. Ob darüber hinaus ein Paragraf im Strafgesetzbuch notwendig sei, bezweifelt er persönlich, möchte die Frage jedoch Juristen überlassen. Um die Transparenz zu erhöhen und Ärzte vor dem Werbeverdacht zu schützen, schlägt Montgomery vor, ein zentrales Register einzurichten, in dem alle Ärzte verzeichnet sind, die Abbrüche durchführen. Dies könnte bei der Bundesärztekammer selbst oder auch zum Beispiel bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) geführt werden.