Gesundes-Herz-GesetzEvidenzminister gegen Evidenzmedizin
Berlin (pag) – Reparaturmedizin statt Prävention, Bankrotterklärung, Skandal: Im Vorfeld der internen Fachanhörung im Bundesgesundheitsministerium (BMG) machen Verbände Front gegen das Gesundes-Herz-Gesetz (GHG).
Gegen den Grundgedanken hat eigentlich keiner etwas. „Das Ziel, die Anzahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken und Leben zu retten, ist unstrittig“, sagt beispielsweise Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Aber: „Aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht stehen hinter den Ideen des Ministeriums, auf neue Check-ups und auf die breitere vorbeugende Einnahme von Arzneimitteln wie Statinen zu setzen, aber noch viele Fragezeichen.“
Inhaltlich geht die Kritik anderer Akteure im Gesundheitswesen in die gleiche Richtung: Der Minister, der die evidenzbasierte Medizin zum Primat seiner Politik erklärt hat, verstößt gegen die Grundlagen dieser. „Dieses Gesetz ist in der geplanten Form ein Skandal“, meint Prof. Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Der Nutzen von allgemeinen Gesundheitsuntersuchungen sei unklar. Dass die Verordnung von Statinen auf Basis gesetzlich festgelegter Risikoschwellen und zu Lasten der GKV geregelt werden soll und nicht mehr nach einer systematischen Bewertung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit durch den G-BA, stört Scherer besonders. „Deutschland muss in der Verhältnisprävention endlich aufholen“, fordert er und schlägt unter anderem eine Zuckersteuer, Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel sowie mehr Schul- und Breitensport und gesundes Kita- und Schulessen vor.
In einem gemeinsamen Statement wenden sich alle Kassenverbände gegen das Gesetz. Sie sehen ihre bisherigen Präventionsangebote in Gefahr. Diese sollte die Bundesregierung stärken, „anstatt sie durch Reparaturmedizin zu ersetzen“.
Lob kommt dagegen vom Bundesverband Medizintechnologie. „Der Fokus auf der Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist überfällig und unbedingt notwendig“, so Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll. Der Verband wünscht sich allerdings gezielte Check-up-Untersuchungen für über 65-Jährige und für über 75-Jährige.
Auf X rechtfertigt Lauterbach sein Gesetz. „Leider brauchen Kinder mit angeborenen Fettstoffwechselstörungen Arzneimittel. Bei uns bekommen sie stattdessen als junge Erwachsene Schlaganfälle und Belehrungen zu Big ,Pharma‘“.