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05.07.2019

Bundesgerichtshof Freisprüche für ärztlich assistierte Selbsttötungen bestätigt

Karlsruhe (pag) – Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zwei Freisprüche in Sterbehilfefällen bestätigt. Die Landgerichte Hamburg und Berlin haben jeweils einen angeklagten Arzt von dem Vorwurf freigesprochen, sich durch die Unterstützung von Selbsttötungen sowie das Unterlassen von Rettungsmaßnahmen wegen Tötungsdelikten und unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht zu haben.

Die Argumentation des BGH: Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten hätte vorausgesetzt, dass die Betroffenen nicht in der Lage waren, einen freiverantwortlichen Selbsttötungswillen zu bilden. In beiden Fällen hätten die Gerichte keine die Eigenverantwortlichkeit der Suizidentinnen einschränkenden Umstände festgestellt. Deren Sterbewünsche beruhten auf einer im Laufe der Zeit entwickelten „Lebensmüdigkeit“ und waren nicht Ergebnis psychischer Störungen.
Weiter heißt es, dass eine in Unglücksfällen jedermann obliegende Hilfspflicht nicht verletzt wurde. „Da die Suizide, wie die Angeklagten wussten, sich jeweils als Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der sterbewilligen Frauen darstellten, waren Rettungsmaßnahmen entgegen deren Willen nicht geboten“, erläutert das Gericht. Es stellt ebenfalls klar, dass das Verhalten nicht am Straftatbestand der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (Paragraf 217 StGB) zu messen sei. Dieser Paragraf war zur Zeit der Suizide noch nicht in Kraft. Dass die Angeklagten möglicherweise ärztliche Berufspflichten verletzt haben, sei für die Strafbarkeit ihres Verhaltens nicht von Relevanz.

Der Berliner Fall: Die 44-jährige Frau litt seit ihrer Jugend an einer nicht lebensbedrohlichen, aber starke Schmerzen verursachenden Erkrankung. Den angeklagten Hausarzt hatte sie nach mehreren Selbsttötungsversuchen um Hilfe beim Sterben gebeten. Er betreute die nach Einnahme des Medikaments Bewusstlose – wie von ihr zuvor gewünscht – während ihres zweieinhalb Tage dauernden Sterbens.
Der Hamburger Fall: Die 85 und 81 Jahre alten Frauen litten an mehreren nicht lebensbedrohlichen, aber ihre Lebensqualität und Handlungsmöglichkeiten zunehmend einschränkenden Krankheiten. Sie wandten sich an einen Sterbehilfeverein, der seine Unterstützung von einem neurologisch-psychiatrischen Gutachten zu ihrer Einsichts- und Urteilsfähigkeit abhängig machte. Dieses erstellte der Angeklagte, ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Er hatte an der Festigkeit und Wohlerwogenheit der Suizidwünsche keine Zweifel. Auf Verlangen der beiden war er bei der Einnahme der Medikamente anwesend. Auf ihren ausdrücklichen Wunsch unterließ er es, Rettungsmaßnahmen einzuleiten.

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