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02.06.2020

Bundessozialgericht
 
Genehmigungsfiktion: Jetzt müssen Patienten schnell sein

Kassel (pag) – Das Bundessozialgericht (BSG) hat seine Rechtsprechung zur sogenannten Genehmigungsfiktion geändert – zum Vorteil der Krankenkassen und zum Nachteil der Versicherten.

Die in § 13 SGB V verankerte Genehmigungsfiktion soll dafür sorgen, dass Krankenkassen sich bei der Bearbeitung von Leistungsanträgen, die Versicherte gestellt haben, nicht zu viel Zeit lassen. Sie müssen innerhalb von drei, spätestens von fünf Wochen über Leistungsanträge entscheiden, die Versicherte gestellt haben. Wird die Frist überschritten, gilt die Leistung als genehmigt.

So war es bis jetzt. Nun betont das BSG, dass die fingierte Genehmigung keinen eigenständigen Sachleistungsanspruch begründet. Sie vermittele dem Versicherten „nur eine vorläufige Rechtsposition, die es ihm erlaubt, sich die Leistung selbst zu beschaffen und es der Krankenkasse nach erfolgter Selbstbeschaffung verbietet, eine beantrage Kostenerstattung abzulehnen“. Konkret bedeutet das: Die Krankenkasse darf trotz Ablauf der Frist weiter über den Antrag entscheiden. Lehnt sie ihn ab, hat der Patient keinen Anspruch auf die Leistung. Die Kasse muss diese also nur bezahlen, wenn es dem Versicherten schon vorher gelungen ist, das gewünschte Medikament oder die gewünschte Behandlung zu bekommen.

Der Kläger in dem verhandelten Fall leidet unter einer sogenannten Kleinhirnatrophie und damit bedingt unter Gangstörungen. Zunächst auf private Kosten versuchte sein Arzt die Behandlung mit einem Medikament, das nur für Gangstörungen bei Multipler Sklerose zugelassen ist. Als sich Erfolge zeigten, beantragte der Mann den Off-Label-Use dieses Arzneimittels bei seiner Kasse. Diese lehnte nach Ablauf der Genehmigungsfiktion ab. Das Landessozialgericht Mainz soll nun prüfen, ob auf anderer rechtlicher Grundlage eine Behandlung mit dem Medikament möglich ist.

Der Sozialverband vdk, der nach eigenen Angaben die Interessen des Klägers vertritt, hält das BSG-Urteil für „versichertenfeindlich“. Seine Präsidentin Verena Bentele kündigt an: „Wir werden Verfassungsbeschwerde erheben.“ Den Kassen werde ein „Blankoscheck für langsames Arbeiten“ ausgestellt.