ArzneimittelKontroverse zu Orphan Drugs
Berlin (pag) – Wird die derzeitige Orphan Drug (OD)-Regelung des AMNOG-Prozesses aufgehoben, könnte dies dramatische Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Arzneimitteln zur Behandlung seltener Erkrankungen haben. Das zeigt eine Studie der Strategieberatung Simon-Kucher, beauftragt vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa).
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass mehr als die Hälfte der untersuchten Orphan Drugs ohne die OD-Regelung einem sehr hohen bis maximalen Risiko der Marktrücknahme ausgesetzt wäre“, sagt Christoph Engelke von Simon-Kucher. Laut der retrospektiven Simulation könnten 79 Prozent der analysierten Orphan Drugs ohne die momentane Regelung ihren Zusatznutzen nicht nachweisen, was zu drastischen Preisreduktionen führen würde, die eine wirtschaftliche Vermarktung häufig unmöglich machen. Dr. Ulrike Götting, vfa-Geschäftsführerin Markt & Erstattung, betont, dass Änderungen an der Regelung „weitreichende negative Folgen“ für die medizinische Versorgung hätten. Der Verband sieht daher keinen Raum für eine Änderungsdiskussion.
Unterdessen plädiert das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bei Orphan Drugs für eine stärkere Orientierung am medizinischen Bedarf. Ein Team des Instituts hat Nutzenbewertungen für diese Arzneimittel aus gut zehn Jahren analysiert. Für 58 Prozent der Fragestellungen stehen zum Zeitpunkt der Bewertung bereits aktive Therapien zur Verfügung. In onkologischen Indikationen sei dies für 88 Prozent, in nicht onkologischen Indikationen hingegen nur für 24 Prozent der Fragestellungen der Fall. Onkologische Indikationen seien bei den Zulassungen stark überrepräsentiert, „während es für viele andere seltene Erkrankungen nach wie vor keine neuen Wirkstoffe gibt“. Die Wahrscheinlichkeit eines Zusatznutzens in regulären Nutzenbewertungen von Orphan Drugs mit nicht onkologischen Indikationen sei höher als bei neuen Wirkstoffen gegen seltene Krebserkrankungen. Die Wahrscheinlichkeit für einen Zusatznutzen steige also, sofern bisher keine aktiven Behandlungsmöglichkeiten existieren, so das Wissenschaftlerteam.