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20.06.2018

Analyse Mehr unter 60-Jährige erhalten künstliche Kniegelenke

Gütersloh (pag) – Immer mehr Menschen wird bei Kniearthrose ein künstliches Kniegelenk eingesetzt. Zunehmend erhalten auch unter 60-Jährige entsprechende Prothesen. Zwischen 2013 und 2016 sind die Operationszahlen in dieser Altersgruppe um 23 Prozent gestiegen, teilt die Bertelsmann Stiftung als Fazit einer Studie mit.

Insgesamt sei zwischen 2013 und 2016 die Zahl der Eingriffe um 18 Prozent von 143.000 auf 169.000 gestiegen. Dieser Anstieg erfolge auf Jahre stabiler und zuletzt rückläufiger Knieprothesen-OPs. Erklärbar sei dieser Trend weder durch medizinische, noch durch demographische oder geografische Einflussfaktoren. Bei den unter 60-Jährigen seien die Operationszahlen von 27.000 auf 33.000 sogar um 23 Prozent gestiegen. „Dass immer mehr jüngere Patienten Knieprothesen bekommen, lässt fragen, ob die Operationen wirklich medizinisch notwendig indiziert sind. Dies ist besorgniserregend“, sagt Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.
Die deutliche Zunahme von Knieprothesen-OPs bei Jüngeren sei wegen des hohen Risikos einer Wechseloperation besonders problematisch. Studien zeigten: Je jünger die Patienten bei der Erst-Operation seien, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Prothesen im Laufe des Lebens ausgetauscht werden müssen. Bei Patienten, die bereits zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr eine Prothese erhielten, liege das Risiko zwischen 15 und 35 Prozent, bei den über 70-Jährigen lediglich zwischen vier und acht Prozent.
Laut Recherchen spielten finanzielle Anreize für Ärzte eine große Rolle, Kniegelenke zu empfehlen. Durch mehrfache Erhöhungen einer zentralen Fallpauschale ab 2013 seien Knieprothesen-OPs für die Kliniken lukrativer geworden. Außerdem würden mehr Patienten nach künstlichen Kniegelenken nachfragen. Niedergelassenen Ärzten würde nicht genügend Budget für konservative Therapieansätze wie Physiotherapie zur Verfügung stehen. Ferner gebe es regionale Unterschiede bezüglich der Häufigkeit der Eingriffe: In Bayern (260 Eingriffe je 100.000 Einwohner) und Thüringen (243) sei 2016 am meisten operiert worden.
„Es gibt kaum einen Bereich der operativen Leistungen, der so intensiv zwischen behandelnden Ärzten und Patienten geklärt wird, wie die Endoprothetik. Hier greift ein Mehraugenprinzip. Zudem besteht immer die Möglichkeit, Zweitmeinungen einzuholen“, sagt Georg Baum, Hauptgeschäftsführung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).