Marburger Bund Mit Praxen spekuliert man nicht
Köln (pag) – Der Marburger Bund Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz (NRW-RLP) verurteilt die zunehmende Bildung von Praxisketten. Die Ärztegewerkschaft spricht von einer „schleichenden Industrialisierung“ in der medizinischen Versorgung.
„Kliniken und Praxen dürfen nicht zu Rendite- oder Spekulationsobjekten verkommen“, fordert Dr. Hans-Albert Gehle, Vorsitzender des Marburger Bundes NRW-RLP. „Renditebestrebungen sind im deutschen Gesundheitswesen ethisch nicht verantwortbar.“ Mit Praxisketten würden Gewinne aus einem solidarisch finanzierten Krankenversicherungssystem regelrecht abgeschöpft. Die Organisation will einen Stopp dieser „kommerziellen Entwicklungen“ und sieht die Gesetzgeber in Land und Bund in der Pflicht.
Als Ursache macht die Gewerkschaft das Fallpauschalensystem aus. „Seit Einführung der DRG im Jahr 2003 erleben wir Klinikärzte einen besorgniserregenden Paradigmenwechsel. Zunehmend bestimmen ökonomische Grundsätze die medizinische Versorgung unserer Patienten in den Krankenhäusern, zunehmend werden Krankenhäuser privatisiert.“ Diese Entwicklung habe auch dazu geführt, dass sich große Praxisketten – nicht nur von Ärzten, sondern auch von Investoren – gegründet hätten.
Mit Radiologen, Laboren und Dialysezentren habe es begonnen. Mittlerweile seien Personen involviert, die das große Geschäft wittern würden. Gehle: „Hier entstehen Praxisketten, die mittlerweile auch die nötigen Zuweiserpraxen – etwa Orthopäden oder Internisten – aufkaufen, um so ihre Rendite und Profitabilität noch weiter zu erhöhen. Wir reden hier über regelrechte Konzernstrukturen mit insgesamt 200 bis 250 Praxen.“
Der „Industrialisierungsprozess“ verlaufe schleichend, die Politik habe ihn noch nicht registriert. Der Marburger Bund NRW-RLP befürchtet eine Erhöhung der Versichertenbeiträge und einen Verlust der Versorgungsqualität. Hauptleidtragende werden die Patienten sein, orakelt Gehle. Denn schon jetzt hätten Ärzte aufgrund der Ökonomisierung weniger Zeit für den Einzelnen. „Durch das Profitstreben wird die medizinische Versorgung massiv gefährdet.“