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19.10.2020

Kardiologie-Kongress Multimorbidität als Herausforderung

Berlin (pag) – Der Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie steht ganz im Zeichen des multimorbiden Herzpatienten. Tagungspräsident Prof. Nikolaus Marx fordert seine Kollegen auf, „unbedingt über den Tellerrand der Therapien oder Interventionen“ aus dem eigenen Fachgebiet hinauszuschauen.

Die Anzahl an Herzpatienten mit Komorbiditäten steige durch das Älterwerden der Bevölkerung und da viel mehr Patienten als früher andere Erkrankungen, wie Krebs, überleben. 58 Prozent der Herzinsuffizienzpatienten hat vier oder mehr Begleiterkrankungen, am häufigsten sind Diabetes, chronische Nierenerkrankung und COPD. Die Prognose der Patienten werde durch Begleiterkrankungen deutlich schlechter. Auch Therapieempfehlungen würden dadurch beeinflusst. Es habe sich gezeigt, dass Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizient deutlich seltener die Empfehlung zur Reha oder zum Rauchstopp bekämen. Bei einigen kardiologischen Therapien sei die Mortalität von komorbiden Patienten deutlich erhöht. Als Beispiel nennt Marx den interventionellen Aortenklappenersatz (TAVI) bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz im Vergleich zu Patienten mit normaler Nierenfunktion.

„Damit stellen sich in Krankenversorgung, Forschung sowie Aus-und Weiterbildung neue Herausforderungen, die wir adressieren müssen“, sagt Marx. Wichtig sei ein interdisziplinäres und eng abgestimmtes Vorgehen von Nephrologen, Diabetologen, Pneumologen und anderen beteiligten Fachrichtungen. Ein Beispiel, wie dies in der Praxis gelingen könnte, gebe es mit der interdisziplinären Herz-Nieren-Station an der Uniklinik Aachen.
„Wir stehen vor der großen Herausforderung, dass uns schlicht keine Daten zur optimalen Behandlung multimorbider Patienten vorliegen“, bemängelt Marx. Bei klinischen Studien seien ko- oder multimorbide Patienten weitestgehend ausgeschlossen, sodass Ärzte die Therapieentscheidung letztendlich aus Daten extrapolieren müssten, die ohne Patienten mit Begleiterkrankung erhoben wurden. Marx plädiert für gezielte klinische Studien unter Einschluss von komorbiden Patienten. Nur so könne man wissen, ob erfolgreiche kardiologische Therapien genauso effektiv für diese Gruppe seien.

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