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06.07.2018

Bundessozialgericht Neue Definition für Schlaganfall-Transportzeiten

Berlin (pag) – Die flächendeckende Versorgung von Schlaganfallpatienten sieht die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) durch ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) gefährdet. Das hat für die neurologische Komplexbehandlung neu definiert, wann die maximale halbstündige Transportzeit beginnt und endet.

Nach dem Terminbericht des BSG wird die in den Kodes 8-981 und 8-98b des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) geforderte höchstens halbstündige Transportentfernung von einer Schlaganfalleinheit in eine neurochirurgische Abteilung folgendermaßen eingegrenzt: Sie beginne mit der „Feststellung der Notwendigkeit, den Patienten zum Kooperationspartner zu verlegen“, und ende mit dem „dort möglichen Behandlungsbeginn“.
Damit steht die BSG-Entscheidung im Widerspruch zur Definition des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). Nach dieser ist für die Entfernung die Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und -transportende maßgeblich. Danach, so wurde es ausgelegt, kommt es also auf die Fahrzeit des Rettungswagens oder auf die Flugzeit des Rettungshubschraubers an. Warum das BSG diese Maßstäbe nicht gelten lässt, ist noch nicht bekannt. Das Urteil ist noch nicht veröffentlicht.
Kritik kommt dennoch von der DKG. Das Bundessozialgericht greife durch die Neudefinition eines wesentlichen Strukturmerkmals für die Abrechnung der Komplexbehandlung massiv in das Vergütungsgefüge und damit auch in die Versorgung ein. „Es ist nicht Aufgabe des obersten deutschen Sozialgerichts, die Strukturvorgaben zur Versorgung von Schlaganfallpatienten zu definieren. Für diese Festlegungen gibt es im deutschen Gesundheitswesen ein Verfahren, in das Experten eingebunden sind“, teilt die Krankenhausgesellschaft mit.
Die Neudefinition des BSG führe praktisch dazu, dass die Komplexbehandlung des Schlaganfalls nur noch in den Kliniken durchgeführt werden könne, die selbst über eine neurochirurgische Abteilung verfügen. Die DKG fordert das Bundesgesundheitsministerium auf, einzugreifen und die DIMDI-Vorgaben anzupassen. Sonst bestehe die Gefahr, dass Schlaganfallpatienten lange Wege durch die Republik zurücklegen müssten, bevor sie behandelt werden. Dem DIMDI liegen schon mehrere Anträge vor, den OPS in Bezug auf die Transportzeiten zu konkretisieren.
Auch die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) sieht die flächendeckende Versorgung von Schlaganfallpatienten gefährdet: Das enge Zeitfenster könne selbst in Ballungszentren häufig nicht eingehalten werden, heißt es in einer Mitteilung. Da damit die Vergütung für zahlreiche Einrichtungen nicht mehr gewährleistet sei, könnten diese sich aus der Schlaganfallbehandlung zurückziehen.

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