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10.07.2020

Chemotherapie Paradigmenwechsel bei Gentest

Berlin (pag) – Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat empfohlen, alle Patienten vor einer systemischen Therapie mit FU-haltigen Arzneimitteln auf einen DPD-Mangel zu testen. Wie diese Empfehlung in der Praxis umgesetzt werden kann, hat die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) erarbeitet. Dahinter steckt ein Paradigmenwechsel.

Angesichts der neuen und gezielten Arzneimittel lautete eine zentrale Frage in der medikamentösen Krebstherapie der vergangenen Jahre: Welcher Patient wird am besten mit welchem Arzneimittel behandelt? Die EMA hat diese Frage mit ihrer Empfehlung umgedreht. Jetzt geht es darum, welcher Patient sollte mit einem der gängigen Zytostatika aufgrund einer vorhersehbarer Unverträglichkeit nicht behandelt werden?
Gemeinsam mit weiteren Fachgesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hat die DGHO detaillierte Vorschläge zur Umsetzung dieser Empfehlung erarbeitet. An dem Positionspapier hat auch die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe mitgewirkt.

Zum Hintergrund: Fluorouracil (FU)-haltige Arzneimittel gehören zu den am häufigsten eingesetzten Zytostatika in der systemischen Tumortherapie. Weiterentwicklungen von 5-FU sind die beiden oralen Prodrugs Capecitabin und Tegafur. Capecitabin ist unter anderem zugelassen für die Therapie von Patienten mit Mammakarzinom. Bei einem Teil der Patienten können schwere und lebensbedrohliche Nebenwirkungen auftreten. Eine Ursache dafür ist der genetisch bedingte Mangel an Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD), einem für den Abbau von FU verantwortlichen Enzym. Zugrunde liegen Varianten im Dihydropyrimidin-Dehydrogenase Gen. Diese sind selten, bei den Trägern aber mit einem signifikanten Risiko für schwere, spezifische Nebenwirkungen assoziiert. Bis zu neun Prozent der Patienten europäischer Herkunft tragen eine DPD-Genvariante und circa 0,5 Prozent weisen einen vollständigen Mangel auf. Daher hat die EMA empfohlen, alle Patienten vor einer systemischen Therapie mit den FU-haltigen Arzneimitteln 5-Fluorouracil, Capecitabin und Tegafur auf einen DPD-Mangel zu testen.