PräventionRote Karte für den Krebs
Berlin (pag) – Eine „Vision Zero“ ist bei Krebs noch in weiter Ferne, kritisieren Experten auf dem gleichnamigen Kongress, in dessen Mittelpunkt das Ziel steht, die vermeidbaren krebsbedingten Todesfälle gegen Null zu bringen. Im Straßenverkehr, in der Luftfahrt und bei der Sicherheit am Arbeitsplatz ist man mit diesem Anspruch sehr erfolgreich, „aber beim Krebs sind wir noch 50 Jahre zurück“, meint Prof. Christof von Kalle.
Der Gründungsdirektor des BIH Charité Studienzentrums konstatiert, dass die meisten Ressourcen im Reparaturbetrieb verwendet und nur sehr wenig in Prävention und Früherkennung gesteckt werden. Von Kalle nennt das Beispiel Zervixkarzinom: „Obwohl ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht, sind nur etwa 50 Prozent der in Frage kommenden jungen Frauen und viel weniger Männer geimpft.“ Beim Darmkrebs verweist er auf die völlig unbefriedigende Teilnahmesituation beim Einladungsverfahren. Hier könne von anderen europäischen Ländern gelernt werden. Mit Blick auf Lungenkrebs wünscht sich der Wissenschaftler entschlossenere Schritte gegen die Tabakwerbung. Das Grundsatzproblem bringt er wie folgt auf den Punkt: „Die Prävention hat keinen Eigentümer. Es gibt niemanden, der dafür zuständig ist.“
Von Kalle fasst auf dem Kongress zusammen: „Nach unserem heutigen Kenntnisstand könnte die Hälfte aller Krebserkrankungen wahrscheinlich durch intelligente Präventions- und Früherkennungskonzepte, die wir im Prinzip schon kennen, vermieden werden.“ Bei der anderen Hälfte könnte durch Präzisionsdiagnostik und innovative Therapiekonzepte sicherlich auch noch eine Menge erreicht werden. Das bedeute: „Wir haben das Potenzial schon mit den uns bereits zur Verfügung stehenden Mitteln in vielfachen Fällen dem Krebs die rote Karte zu zeigen.“ Voraussetzung sei aber, dass man einen Prozess wolle, bei dem „jeder Stein“ umgedreht wird.