WIdO-QualitätsatlasSucht, Angst, Depression: Dauermedikation in der Pflege
Berlin (pag) – Über sieben Prozent der Menschen in Pflegeheimen bekommen dauerhaft Beruhigungs- und Schlafmittel verordnet. Etwa vier von fünf Pflegeheimbewohner mit Diabetes erhielten in 2023 keine augenärztliche Vorsorge. Diese Defizite greift das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) im Qualitätsatlas Pflege auf.
Benzodiazepine, Benzodiazepin-Derivate und Z-Substanzen: Diese Medikamente wirken schlaffördernd, beruhigend und angstlösend. Jedoch nur kurzfristig, so das WIdO. Nach vier Wochen gingen die Effekte verloren, stattdessen drohten Abhängigkeiten, erhöhte Sturzgefahr, Angst und Depressionen. „In Deutschland zählen diese Wirkstoffe zu den häufigsten potenziell inadäquat verschriebenen Medikamenten für ältere Menschen“, erklärt Susann Behrendt, Forschungsbereichsleiterin Pflege im WIdO. Die Analysen sollen mehr Transparenz über die Missstände von Dauerverordnungen in Pflegeheimen schaffen. Behrendt moniert: „Seit der ersten Veröffentlichung dieser Daten stellen wir nur einen geringen bundesweiten Rückgang fest.“ In 2017 blickte man noch auf einen bundesweiten Anteil von Dauerverordnungen von rund 8,2 Prozent. In 2023 sind es etwa 7,1 Prozent. Der Qualitätsatlas Pflege widmet sich im Cluster „Kritische Arzneimittelversorgung“ weiterhin der Dauerverordnung von Antipsychotika bei Demenz; der Kombination von neun oder mehr Wirkstoffen sowie dem Einsatz von für Ältere ungeeigneter Medikation.
Im Themenbereich „Fehlende Prophylaxe und Prävention“ macht das Institut deutliche Defizite in der Versorgungsqualität von Pflegeheimbewohnern mit Diabetes aus. Bundesweit erhielten vier von fünf Menschen mit Diabetes (78,2 Prozent) in 2023 keine augenärztliche Vorsorge. In den medizinischen Leitlinien sind regelmäßige Kontrollen angemahnt. Denn Diabetes habe das Potenzial, Netzhaut-Schäden zu verursachen, die manchmal zur Erblindung führen. Behrendt konstatiert: „Gerade der Erhalt der Sehkraft ist ein wesentlicher Faktor für Lebensqualität und Selbstständigkeit.“