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08.03.2018

Frauentag im Gesundheitswesen Vorreiter, Herrenclubs und missachtete Frauenpower

Berlin (pag) – Den internationalen Weltfrauentag am 8. März nehmen verschiedene Akteure des Gesundheitswesens zum Anlass, um wahlweise von Erfolgsgeschichten weiblicher Gleichberechtigung zu berichten oder dringend ein Umdenken anzumahnen. Einige Schlaglichter.

Der BKK Dachverband weist auf immer mehr Vorständinnen bei den Betriebskrankenkassen hin. Derzeit seien 19 Vorstandsposten im bundesweiten BKK-System weiblich besetzt. Das entspreche einem Anteil von 20 Prozent. 17 Frauen führten eine Betriebskrankenkasse, zwei weitere einen BKK-Landesverband. Der Dachverband spricht von einer Vorreiterrolle in Sachen Gleichberechtigung: Weder innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen noch im Gesundheitswesen oder in der deutschen Wirtschaft gebe es so viele Vorständinnen wie bei den Betriebskrankenkassen.
Stolz ist auch der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa): Wissenschaftlerinnen in der Forschung und Entwicklung der Pharmaindustrie seien in Deutschland fast schon ausgeglichen vertreten – ihr Anteil betrage 44 Prozent. In diesen Abteilungen arbeiteten sogar knapp über 50 Prozent Frauen. In der Pharmaindustrie insgesamt seien 41 Prozent Frauen beschäftigt. Zum Vergleich: Im verarbeitenden Gewerbe betrage ihr Anteil 19 Prozent, im Fahrzeug- und Maschinenbau seien es jeweils 13 Prozent.

Weinberg: „Missachtung von Frauenpower“

Weniger Erfolgsstorys gibt es in der Pflege. Von einer „Missachtung von Frauenpower“ spricht etwa Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag. „Pflegearbeit ist in Deutschland nicht nur weiblich, sondern wird viel zu oft unterbezahlt, in Teilzeitarbeit und unter schlechten Arbeitsbedingungen geleistet.“ Auch Bayerns Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml fordert ein Umdenken bei der Entlohnung von Pflegekräften. Den Berufen im Gesundheitswesen und im sozialen Bereich müsse die gleiche Wertschätzung wie den klassischen Männerberufen entgegengebracht werden – auch in finanzieller Weise.

Der Herrenclub bleibt weitgehend unter sich

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) weist ebenfalls auf die nach wie vor bestehenden Ungerechtigkeiten und Nachteile für Frauen hin. Konkret kritisiert er das niedrige Lohnniveau, belastende Arbeitsbedingungen, ein hohes Risiko der Altersarmut, geringe Aufstiegsmöglichkeiten und wenig Autonomie. Was der Verband außerdem moniert: Entscheidende Gremien und Positionen würden, auch im Gesundheitswesen, überproportional von Männern besetzt. „Macht und Einfluss machen Männer am liebsten unter sich aus.“
Thematisiert wurde dieses Problem kürzlich auch in einer kleinen Anfrage der Bundestagsabgeordneten Kirsten Kappert-Gonther zur Repräsentanz von Frauen in der Selbstverwaltung des Gesundheitssystems. Die Grünen-Politikerin führt aus, dass zwar rund die Hälfte der Patienten und die Pflege überwiegend weiblich sei, der Ärztinnenanteil zudem bei etwa 45 Prozent liege, Tendenz steigend. Die Repräsentanz durch Frauen in der Selbstverwaltung sei aber nach wie vor äußerst gering. Mit diesem „Herrenclub“ will sich Kappert-Gonther nicht abfinden. Die rechtlichen Vorgaben für die Besetzung der Gremien sollten verschärft werden, findet sie, denn: „Ohne Quote bleibt die Macht auch im Gesundheitswesen ungleich verteilt.“