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22.03.2019

Organspende Widerspruchslösung: überfällig oder überflüssig?
 

Berlin (pag) – Der Bundestag hat gerade erst das Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende verabschiedet, jetzt nimmt die Debatte zur Widerspruchslösung wieder an Fahrt auf. Einen Vorgeschmack, wie kontrovers die Meinungen dazu sind, liefern die Patientenbeauftrage der Bundesregierung, Prof. Claudia Schmidtke, und Prof. Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrates.

Eine Einführung der Widerspruchslösung lehnt der Theologe Dabrock entschieden ab. Stattdessen solle lieber abgewartet werden, wie sich die jüngst beschlossenen Strukturveränderungen auswirken. In Ländern wie Spanien, die hierzulande als Vorbild diskutiert werden, hätten nämlich Verbesserungen in der Infrastruktur und nicht die Einführung der Widerspruchslösung eine positive Trendwende bei der Organspende bewirkt, argumentiert er. Außerdem komme in Spanien neben dem Hirntodkriterium auch das sogenannte NHBD-Verfahren (non heart-beating donor, Organentnahme nach Herzstillstand) zum Einsatz.

Dagegen plädiert die Herzchirurgin Schmidtke für eine rasche Einführung der Widerspruchslösung, denn viele der kürzlich beschlossenen Maßnahmen habe es in der Praxis bereits gegeben. Sie sagt auch: „Was nützen tolle Straßen, über die keiner fährt?“ Die Patientenbeauftragte weist darauf hin, dass Umfragen zufolge über 80 Prozent der Bundesbürger die Organspende befürworten, einen Organspendeausweis besitzen aber nur 36 Prozent. Es gebe folglich ein Gap von rund 50 Prozent der Bürger, bei denen nicht klar definiert sei, was sie wollen. „An diese 50 Prozent müssen wir ran.“ Mittels Widerspruchslösung soll von ihnen eine Entscheidung eingefordert werden. Schmidtke betont außerdem, dass durch eine eindeutige Willensbekunden auch Angehörige entlastet werden.
Dabrok hält die Widerspruchslösung indes für überflüssig oder sogar schädlich. Sein Argument: Das Transplantationssystem hat ein erhebliches Vertrauensdefizit in der Bevölkerung. „Und dann mit einer Art indirekter Zwangsmaßnahme zu kommen – das steigert nicht das Vertrauen ins System.“




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