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18.06.2018

Notfallmedizin Wo liegen die Grenzen des medizinisch Machbaren?

Köln (pag) – Laut Prognosen wird sich der Anteil der über 60-jährigen Patienten auf Intensivstationen weltweit bis 2050 nahezu verdoppeln. Auf der 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) und der Österreichischen Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin (ÖGIAIN) diskutieren die Teilnehmer die schwierige Frage: Wie viel Intensivmedizin benötigen Patienten und wo liegen die Grenzen des medizinisch Machbaren?

2013 betrug der Anteil der über 60-Jährigen auf Intensivstationen zwölf Prozent. 2050 erwarten die Experten eine Zunahme auf 21 Prozent. Die Lebenserwartung der Bevölkerung habe in den letzten Jahren zugenommen, die Zahl älterer Menschen mit Mehrfacherkrankungen wachse stetig. Die Folge: „Die moderne Intensivmedizin steht vor großen Herausforderungen, die durch den demografischen Wandel bedingt sind“, sagt Prof. Uwe Janssens, Generalsekretär der DGIIN. Wo früher in akuten Krisensituationen der Tod unvermeidlich gewesen sei – etwa bei Unfallopfern mit schwerwiegenden Verletzungen oder älteren, vielfach erkrankten Patienten – hätten technologische und medizinische Fortschritte in Diagnostik und Überwachung neue Überlebensperspektiven geschaffen. „In der Intensivmedizin kommt es immer wieder zu einer kompletten, teilweise unumkehrbaren Abhängigkeit des Patienten von lebensunterstützenden Apparaturen. In manchen Fällen wird die intensivmedizinische Behandlung nur mit schweren seelischen und körperlichen Defiziten überlebt – das kann für Patienten und Angehörige große dauerhafte Belastungen bedeuten“, sagt Janssens. Der Patient sei mit seinen moralischen Werten, Wünschen und Lebensentwürfen zu respektieren. 
Allerdings könne es vorkommen, dass der Patientenwunsch nicht immer eindeutig definiert sei oder sich im Verlauf einer Behandlung verändere. „Beispielsweise kann das Leben im Rollstuhl von einem derzeit gesunden Menschen als nicht akzeptabel bewertet werden, dagegen kann derselbe Mensch im Falle des tatsächlichen Erlebens dieser Situation diese als durchaus lebenswert erfahren“, sagt Janssens. Wenn aber aus Sicht des Patienten eine Weiterbehandlung sinnlos sei, könne sie nicht durch eine vermeintliche medizinische Hilfeleistungspflicht gerechtfertigt werden. Das entspreche juristisch dem Tatbestand der Körperverletzung, warnt Janssens. Sei der Patient aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr in der Lage, seinen Willen auszudrücken und liege keine Patientenverfügung vor, müssten Angehörige, Bevollmächtigte oder Betreuer stellvertretend über die Fortführung der Intensivmedizin entscheiden.