Direkt zu:

14.03.2018

Medizin in der NS-Zeit  „Wenn jeder Arzt drei Euro spendet“ – Gedenkstätte Alt Rehse 

Berlin (pag) – Im mecklenburgischen Dorf Alt Rehse, einst Standort der „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“, soll ein Lern- und GeDenkOrt entstehen. Dieser soll zur Aufarbeitung der Geschichte der Medizin im Nationalsozialismus beitragen. Bund und Land geben Millionen unter der Bedingung, dass auch Ärzte sich beteiligen. 

„In Deutschland gibt es rund 400.000 Ärzte und ich kann mir nicht vorstellen, dass ihnen das Gedenken an die finstere medizinische Geschichte egal ist“, sagt Dr. Manfred Richter-Reichhelm. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung appelliert an die deutsche Ärzteschaft die noch benötigten 900.000 Euro zu spenden. „Wenn jeder Arzt drei Euro spendet, können wir das Projekt realisieren“, meint Richter-Reichhelm. Gleichzeitig würde die Ärzteschaft damit ein klares Zeichen gegen rechts setzen. Der Nationalsozialistische Deutsche Ärztebund ließ in Alt Rehse die „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“ errichten. Zwischen 1935 und 1941 diente das NS-Musterdorf der „weltanschaulichen Schulung“ von bis zu 12.000 Ärzten, Apothekern, Hebammen und anderen Beschäftigten im Gesundheitswesen.
„In Alt Rehse, wo Mediziner ideologisch unter anderem auf die Euthanasie vorbereitet wurden, sind besondere Einblicke in die Verstrickung der Ärzteschaft in die verbrecherische NS-Ideologie der ‚Rassenhygiene’ und in die Grenzverschiebung medizinethischer Fragen möglich“, heißt es in einer Broschüre über die Initiative. Angesichts der Bedeutung des Ortes soll dort ein Ausstellungs-, Dokumentations- und Bildungszentrum aufgebaut werden. Das Zentrum wird seit über zehn Jahren von vielen Einzelpersonen und Initiativen vorbereitet. Aktuell informiert in dem Dorf die Dauerausstellung „Alt Rehse und der gebrochene Eid des Hippokrates“ interessierte Besucher.

Ethik im Gesundheitswesen

Doch der geplante Lern- und GeDenkOrt Alt Rehse will nicht nur Geschichte präsentieren, sondern neue Akzente im wissenschaftlichen, pädagogischen und touristischen Angebot setzen. Ein Schwerpunkt soll sich der Ethik im Gesundheitswesen in Gegenwart und Zukunft widmen. In der Broschüre werden Veranstaltungen angekündigt, die sich im Rahmen der Aus- und Weiterbildung „an alle medizinischen Berufsgruppen, überdies an Geschichtsinteressierte und ein breites Publikum“ richten. Geplant sind außerdem kulturelle Aktivitäten wie Lesungen, Vorträge und musikalische Veranstaltungen. Und: Der Lern- und GeDenkOrt wird eine Dauerausstellung zur Geschichte und Bedeutung der „Führerschule“, zur DDR-Geschichte des Ortes und thematisch ergänzende Wechselausstellungen bieten.

Die organisatorischen und finanziellen Hintergründe

Der Träger des Lern- und GeDenkOrtes Alt Rehse ist die Gutshaus Alt Rehse gGmbH (GAR). Diese wiederum haben 2009 die Vereine Erinnerungs-, Bildungs- und Begegnungsstätte Alt Rehse und Beth Zion gegründet. 2014 trat als weiterer Gesellschafter die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) der Gesellschaft bei.
Der Lern- und GeDenkOrt wird vom Bund und vom Land Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen der Bundesgedenkstättenförderung unterstützt. Seit 2016 stehen die Mittel bereit, um das 1993 errichtete ehemalige „Limnologische Institut“ umzubauen. Die Pläne sollen bis 2021 umgesetzt werden. Die Verhandlungen über den Erwerb der Liegenschaft sind bereits mit dem Eigentümer erfolgreich abgeschlossen worden. Um den Eigenanteil in Höhe von rund 900.000 Euro abzusichern, der für den Abruf der Mittel der Bundesgedenkstättenförderung – je 1,65 Millionen Euro von Bund und Land – und für den laufenden Bildungsbetrieb notwendig ist, benötigt die Gutshaus Alt Rehse gGmbH allerdings weitere Unterstützung und Spenden.