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03.07.2023

Suizidbeihilfe Ärzte wenden sich gegen „Sterben nach Checkliste“

Berlin (pag) – Ärzte und Psychotherapeuten warnen vor einer übereilten gesetzlichen Neuregelung der Suizidbeihilfe durch den Bundestag. „Das Parlament hat das Thema nicht in ausreichender Tiefe diskutiert und sich nicht ausreichend mit den Argumenten der Fachgesellschaften auseinandergesetzt“, kritisiert Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt. Gefährdet würden vor allem suizidale Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Die parlamentarische Sommerpause sollte noch für die Weiterentwicklung der Entwürfe genutzt werden, fordern die Bundesärztekammer, das Nationale Suizidpräventionsprogramm, die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sowie die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP).

Zur Abstimmung steht jeweils ein Gesetzentwurf der Abgeordnetengruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) und um den SPD-Bundestagsabgeordneten Lars Castellucci. Reinhardt kritisiert insbesondere den Entwurf von Helling-Plahr und Künast: „Nur eine einzige informierende Beratung und eine Wartezeit von lediglich drei Wochen, bevor ein Suizidmittel verschrieben und ein assistierter Suizid ermöglicht werden kann, reichen nicht aus, um die Freiverantwortlichkeit der Suizid-Entscheidung sicherzustellen“, betont er. Sollte der Bundestag diesem Entwurf zustimmen, werde er seinen Mitgliedern empfehlen, die Beschlüsse nicht umzusetzen.

Die Sorge der Ärzte und Fachgesellschaften gilt insbesondere suizidalen Menschen mit psychischen Problemen oder in psychosozialen Krisen. 2021 starben über 9.000 Menschen in Deutschland durch Suizid – die meisten im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung. Sehr häufig seien diese Menschen nicht in der Lage, diese Entscheidung frei und selbstbestimmt zu treffen, sagt DGPPN-Präsident Prof. Andreas Meyer-Lindenberg. Bei derart existenziellen Fragen dürfe ärztliches Handeln nicht zur bloßen Dienstleistung und einem „Sterben nach Checkliste“ degradiert werden, betont Heiner Melching, Geschäftsführer der DGP: „Damit lässt man Menschen mit Suizidwünschen wie auch ihre Angehörigen letztlich sehr allein.“

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