Akut- und Notfälle„Amazon-Mentalität“ oder Unsicherheit?
Berlin (pag) – Bei den Instrumenten, die die Akut- und Notfallversorgung verbessern, sind sie sich einig: Gesundheitskompetenz und Patientensteuerung. Doch wie diese zur Anwendung kommen sollen, darüber herrscht Dissens zwischen den Spitzen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) beim KBV-Sicherstellungskongress.
KBV-Vorstandschef Dr. Andreas Gassen spricht von einer „Amazon-Mentalität“: Viele erwarten, dass jede medizinische Leistung zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung stehen müsse – auch in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. Er fordert deswegen eine Patientensteuerung, wie sie die Ersteinschätzungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss vorsah. Diese wurde allerdings vom Bundesgesundheitsministerium in seiner Funktion als Rechtsaufsicht kassiert. Das war im Sinne des DKG-Vorstandschef Dr. Gerald Gaß. Die Regelung würde Versicherte in die ambulante Versorgung „locken“. Er wünscht sich eine für den Patienten nachvollziehbare Steuerung über die Leitstellen. An eine reine „Amazon-Mentalität“ glaubt er nicht. „Wenn die Patienten in den Notaufnahmen ankommen, sind sie in aller Regel durch ein hohes Maß an Unsicherheit geprägt.“ Deswegen gehe es auch darum, die Gesundheitskompetenz zu stärken. Das ist auch Gassen ein wichtiges Anliegen.
Der Idee der Integrierten Notfallzentren (INZ) kann Gaß einiges abgewinnen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen könnten dort von 7 bis 19 Uhr präsent sein, davor und danach die Krankenhäuser. Das INZ-Modell sei nur denkbar, wenn man es auf wenige Standorte beschränkt, findet Gassen. Allein schon wegen des Personalmangels. „Wir müssten rund ein Drittel aller Hausärzte in die INZ packen. Die Praxen sind dann in der Zeit zu“, verdeutlicht er.
Beide Spitzenfunktionäre sehen derzeit sowohl die stationäre wie auch die ambulante Versorgung in Gefahr und fordern politisches Handeln. Irgendwann sei man am „Point of no return“, so Gassen: „Ein Krankenhaus, das einmal zu ist, macht nicht wieder auf. Und Praxen, die nicht weitergegeben werden, machen auch nicht wieder auf.“