Interview des Monats mit Thomas AltgeldBIÖG – „Bislang ein reines Fantasieprodukt des Ministers“
Hannover (pag) – Thomas Altgeld hat die Gründung des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) von Beginn an kritisch begleitet, ist auch Mitglied im Errichtungsbeirat. Im Interview erklärt der Public-Health-Experte, warum das BZgA-Nachfolgekonstrukt keine neuen Aufgaben wahrnehmen kann, was das BIÖG eigentlich leisten müsste und was mit dem Institut nach der Bundestagswahl passieren könnte.
Am 13. Februar hat Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach per Ministererlass das Institut gegründet. Mit was für einem Konstrukt haben wir es jetzt tun?
Es ist völlig unklar, was für ein Konstrukt das ist. Es gibt zwar eine Kooperationsvereinbarung zwischen ehemaliger BZgA und Robert Koch-Institut, aber bis auf das neue Schild an der Tür ist ungewiss, welche Konsequenzen diese haben wird. Es ist lediglich eine Umfirmierung, quasi ein Etikettenschwindel.
Welche Hebel kann das BIÖG umlegen? Ist es überhaupt arbeitsfähig?
Es ist schon aus dem Grund nicht arbeitsfähig, weil die Menschen, die dort arbeiten sollen, überhaupt nicht mitgenommen worden sind. Die haben 18 Stunden vorher aus einer Mail des Ministers oder aus einer Pressevorveröffentlichung davon erfahren. Selbst wenn das BIÖG eine zündende Idee gewesen wäre, gäbe es niemanden, der gedacht hätte: „Das ist unser Institut und wir wollen eine Präventionsstrategie oder eine Public-Health-Strategie für Deutschland erarbeiten“. Das ist das eine. Das andere ist, dass es kein neues Geld gibt. Die BZgA hat Pflichtaufgaben, die andere Minister und frühere Bundestage erteilt haben. Es gibt keinen Spielraum für neue Aufgaben, das Etat ist voll verplant, neues Geld nicht in Sicht.
Das heißt, die Arbeit der BZgA wird einfach unter neuem Namen fortgeführt plus X?
Das Plus X ist bislang ein reines Fantasiekonstrukt des Ministers. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in der alten BZgA Mitarbeiter frei herumschwirren und dass sie darauf warten, eine neue Aufgabe zu bekommen. Öffentliche Gesundheit ist die einzige neue Abteilung. Die kann man aber nicht ohne Weiteres mit Umsetzungen von Mitarbeitenden bestücken. Das hätte man völlig neu sortieren müssen. Über einen Kooperationsvertrag bekommt man ohnehin keine neuen Stellen nach Köln. Die RKI-Mitarbeiter sind vielleicht mit Arbeitsaufträgen einbindbar. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das erfolgreich funktioniert.
Herr Lauterbach sagt, dass er sich in den Koalitionsverhandlungen um die Finanzierung kümmern will.
Auch im Gesetz, das vor der zweiten Lesung wegen des Ampelbruchs gescheitert ist, war von Geld keine Rede. Die Finanzierung war also bereits während der Zeit der Ampel nicht zu organisieren. Insofern ist es reine Augenwischerei zu sagen, dass in der nächsten Legislatur alles besser wird – nach dem Motto: Wir ändern jetzt erstmal das Schild und machen die Kooperation und hinterher kommt das große Geld. Woher soll das kommen? Wer soll dafür kämpfen?
Die zahlreichen Änderungsanträge und Anregungen aus den Stellungnahmen zur Institutsgründung wurden nicht berücksichtigt. Was sind die wichtigsten Aufgaben, die das BIÖG wahrnehmen müsste?
Es wäre schon eine Aufgabe, die Aktivitäten auf der Bundes- und auf der Landesebene zusammenzuführen. In der alten BZgA gibt es einen Bereich, der genau das macht. Das ist das Nationale Zentrum Frühe Hilfen. Etwas Vergleichbares mit einem Bundesinstitut auch für den Öffentlichen Gesundheitsdienst auf die Beine zu stellen, wäre eine große Herausforderung und eine lohnenswerte, aber sehr herausfordernde Aufgabe. Was braucht es dafür an Unterstützungsmaßnahmen, an begleitender Kommunikation, an Qualifizierung und an Qualitätssicherung? Man könnte tatsächlich Daten miteinander verbinden, anstatt zwei Paralleluniversen in Köln und Berlin zu haben. Man hätte auch umgekehrt denken können: Das Robert Koch-Institut ist das nationale Public-Health-Institut, in welches der Bereich Gesundheitskommunikation integriert wird. Die BZgA wird allerdings nur darauf reduziert. Wenn man diese Behörde wirklich weiterentwickeln will, ist zunächst eine Status-Quo-Analyse notwendig. Welche Aufgaben hat sie, über welche Reichweite verfügt sie, welche Erfolge kann sie vorweisen und was aus dem thematischen Bauchladen einfach lassen.
Kommen wir zurück auf die Kooperationsvereinbarung zwischen RKI und BIÖG. Wie bewerten Sie diese? Sehen Sie darin auch positive Inhalte?
Wir haben sehr viele Daten und Dateninseln im Gesundheitswesen, Studiendaten und Nutzungsdaten, die man mit Hilfe von KI verknüpfen und auswerten müsste. Aber ich sehe noch kein Konzept dazu. Der Kooperationsvertrag soll nach zwei Jahren evaluiert werden. Ich gehe davon aus, dass er spätestens dann ad acta gelegt wird.
In eigener Sache: Der Text ist gekürzt. Das vollständige Interview ist am 19. Februar 2025 im OPG, dem gesundheitspolitischen Informationsdienst der Presseagentur Gesundheit, erschienen.