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18.05.2022

EU-HTA „Fataler Irrweg“ – Hecken warnt vor zu wenigen Beratungsterminen

Berlin (pag) – „Mit Volldampf gegen die Wand“ – das befürchtet der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Prof. Josef Hecken, beim europäischen Health Technology Assessment (EU-HTA). Auf einer Fachtagung von RS Medical Consult am 12. Mai macht er auf ein gravierendes Problem des neuen Prozesses aufmerksam: Die europäische Kommission sieht derzeit gerade einmal maximal 50 Beratungen pro Jahr für die Industrie vor.

Zum Vergleich: Der G-BA hat im vergangenen Jahr 300 Beratungen durchgeführt. Die auf EU-Ebene angesetzten 50 Beratungen findet Hecken viel zu wenig, gerade mit Blick auf die Orphan Drugs, bei denen es den größten Beratungsbedarf gebe. Er spricht von einem „fatalen Irrweg“ und appelliert, dass belastbare Evidenz möglichst frühzeitig generiert werden müsse. Daher sei es wichtig, gemeinsam mit den Regulatoren in einen frühzeitigen Beratungsprozess einzutreten.

Heckens Notlösung für die erwartete Misere: Der G-BA, der bei den 50 europäischen Konsultationen federführend ist, hat angeboten, mit eigenen Mitteln (O-Ton Hecken: „Die ich noch nicht habe“) in die Bresche zu springen, sprich zusätzliche Beratungen anzubieten. Diese werden dem G-BA-Chef zufolge vorher mit den europäischen Kollegen koordiniert und könnten, falls gewünscht, mit den Regulatoren stattfinden. Das gleiche Maß an Verbindlichkeit sei aber nicht gegeben.

Dr. Matthias Wilken vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) lobt die G-BA-Initiative. Nach seiner Einschätzung dürfte diese auch für den Ausschuss eine große Herausforderung darstellen, denn die Beratungen für die anderen Arzneimittel, die noch nicht im EU-HTA-Prozess integriert sind, laufen weiter. Laut dem BPI-Geschäftsführer für Market Access, Märkte und Versorgung gab es seitens der Industrie das Angebot, für die europäischen Beratungen zu bezahlen, was die EU wegen Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit abgelehnt hat. Doch das Thema Unabhängigkeit lässt sich auch in eine andere Richtung problematisieren. Was passiert, wenn eine Institution beraten hat und anschließend in den Bewertungsprozess muss, fragt Wilken. Wenn nach dem Grundsatz, „Wer beraten hat, darf nicht bewerten“ verfahren werde, stelle sich der G-BA möglicherweise selbst ein Bein: Mit den großzügigen Beratungsangeboten würde er sich dann möglicherweise selbst aus dem Bewertungsprozessen ausschließen.

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